Emil Bessels an Ernst Haeckel, Washington D. C., 24. Juni 1876
SMITHSONIAN INSTITUTION.
WASHINGTON, D. C.
24/VI 76
Magnificenz!
Mein lieber Herr Professor!!
Wenn ich mich recht erinnere, so ist dies in Deutschland die Art & Weise Respectbriefe zu schreiben. Das heisst, man beginnt möglichst weit unten auf der ersten Seite, beschreibt, so man fein säuberlich zu Werke gehen will die zweite gar nicht und respectrirt sich erst auf No 3. ||
Zunächst meine herzlichsten Glückwünsche zum Prorectorat, das wenig erfreulich ist, aber doch zu den nothwendigen Uebeln eines academischen Lehrers gehört und desshalb mit Würde ertragen oder getragen werden muss. Gestern kamen die Separatabdrucke, die Sie so freundlich waren mit zu schicken in meinen Besitz und ich möchte Ihnen dafür meinen besten Dank aussprechen. Gleichzeitig bitte ich Sie um Verzeihung, dass ich Ihnen noch nicht für die reizende Prachtausgabe der Korallen dankte, die ich schon vor längerer Zeit erhielt, und ebenso für die „Ziele & Wege“. Ihre neueste Broschüre traf gleichfalls ein; auch dafür meinen besten Dank. Meine Hoffnung Sie vergangenen Frühling in Deutschland begrüssen zu können, realisirte sich leider nicht. Da ich eine Bill, behufs einer neuen arctischen Expedition durch den Congress drücken wollte, konnte ich Washington kaum auf mehrere Tage den Rücken kehren. Leider ist alle Zeit dahin und verloren und alle Mühe die ich aufwandte ganz umsonst. Durch den Streit der Demokraten & Republikaner, durch die Ministerialschweinereien und Consular-Affairen scheiterten meine Pläne oder müssen wenigstens bis nächstes Jahr ad acta gelegt werden. Wie lange dieser Congress noch sitzen wird lässt sich kaum bestimmen. Gesetzt der Fall, die Bill werde jetzt noch passiren, so wäre es zu spät um irgend etwas Ordentliches vornehmen zu können. Die Sparsamkeit des democratischen Hauses geht so weit, dass a der Druck sämmtlicher Publicationen des Marine-Ministeriums suspendirt wurde. Mein Band gehört mit in die Reihe. Bis jetzt habe ich 976 Seiten fix und fertig; ich brauche nur etwa noch 20 um das Buch vollständig || zu machen, allein ich muss mich bis zum Anfang des neuen Finanzjahres gedulden, denn alle Gelder sind mit Beschlag belegt. Ich wollte das Fehlende aus eigenen Mitteln bezahlen, was mir jedoch nicht gestattet werden konnte, da die Regierungsdruckerei keine Privatarbeiten machen darf.
Vor einiger Zeit war Ihr Freund Bastian hier; er beglückte mich zwei Tage und ist jetzt auf dem Wege nach Europa. Der große Welt-Jahrmarkt lockt eine Menge Europaeer nach Amerika, doch sind darunter verhältnissmässig wenig Deutsche. Warum entschliessen Sie sich denn nicht eine kleine Spritztour zu unternehmen? Sie würden sich hier jedenfalls gut amüsiren, oder vielmehr Manches sehen, was man in Deutschland kaum zu Gesicht kriegt. Falls Sie kommen, steht eine Wohnung für Sie bereit.
Gestern erhielten wir das letzte Heft der jenaischen Zeitschrift. Der Aufsatz von Meyer ist trefflich, doch in manchen Stücken etwas gewagt. Wer hatte denn die Güte meine Correctur zu lesen? Statt der schlanken Integralzeichen sehe ich ziemlich corpulente S im Text stehen; jedoch wird wohl Jedermann wissen worum es sich handelt.
Nun leben Sie wohl, nochmals besten Dank für Ihre freundlichen Sendungen. Ich hoffe mich bald revanchiren zu können.
Ihr
treu ergebener
Emil Bessels
a gestr.: alle