Bessels, Emil

Emil Bessels an Ernst Haeckel, Stuttgart, o. D.

Geehrter Herr Professor!

Als ich gestern einen kleinen Bummel durch die beschneite Winterlandschaft machte, die Flinte auf dem Rücken, um einem lustigen Sprössling Reineckens das Lebenslicht auszublasen, was mir auch wirklich gelang, bemerkte ich an einem einsam stehenden Bauernhäuschen eine Rebe, die mit allerliebsten Früchten beladen war. Das liebliche Blau der Trauben contrastirte so lieblich gegen die weiss „gezückerte“ Umgebung, dass mich die Lust mächtig umwandelte, einige der Früchte zu „schlückern“ – Gedacht, gethan. „Ich klopfte an die kleine Pforte“, die mir ein altes Mütterchen „willig aufthat“, Grossmama ersuchend, mir gegen Geld u. gute Worte einige ihrer Trauben abzulassen. „Ja freili“, sagte sie, „awer i wois neet, ob Sie mei Trauabe meeget, sie dan de Katzendreckerle“ Thut nichts, Schätzchen, ich will sie versuchen, sagte ich. Nun practicirten wir eine Leiter aus der Tenne tiefsten Gründen, ich steige an der edlen Rebe empor, und finde, da ich die Trauben koste, dass es Isabelle Trauben sind, die wir einst mit so grossem Genusse bei Ehrwürden Fraas verzehrten. Die hübschen Tage, die ich damals mit Ihnen hier verlebte, kamen mir dabei so lebhaft in den Sinn, dass ich – Sie werden es mir verzeihen – nicht nur Magen, sondern auch mein Waidtasche mit „Katzendreckerle“ füllte, die ich Ihnen anbei übersende. ||

Für die mir freundlich überschickten „Untersuchungen Claparéde’s u. Tafeln Ihrer Schöpfungsgeschichte sage ich Ihnen besten Dank. Von Triest habe ich bis heute noch keine bestimmte Nachricht. Sollte man sich in Leipzig noch nicht für einen Nachfolger Pöppig’s entschieden haben, so ersuche ich Sie, Sich doch Jäger’s zu erinnern. Es dürfte Ihnen am Ende nicht gar schwer fallen, durch Carus’ Hilfe Etwas zu erzielen: Sie werden mich dadurch zu grösstem Danke verpflichten.

Sie bittend, die Herren Gegenbaur, Schleicher und Schäffer herzlich von mir zu grüssen, verbleibe ich

Ihr ergebenster

Emil Bessels

Stuttgart,

Freitag Abend.

P. S. Mein Aufsatz kommt nächstens. Sonntag gehe ich nach Heidelberg, um mir das nöthige Material zu verschaffen.

D. O.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
??.??.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7513
ID
7513