Bessels, Emil

Emil Bessels an Ernst Haeckel, Stuttgart, 17. September 1868

Stuttgart den 17 September 1868

Geehrter Herr Professor!

– Die Rachegötter schaffen im Stillen! – Das will in unserm Falle so viel heissen, dass Ehrwürden Fraas und Freund Ahles Wind bekamen, dass wir am Sonntag Nachmittag in Esslingen gewesen. Um uns auf eine anständige Weise herauszubeissen, erfand ich im Augenblicke der Noth das Histörchen, dass Sie, gerade im Begriff nach der Eisenbahn zu gehen, zufälliger Weise einen befreundeten Sprachforscher aus Jena trafen, der in der schönen Esslinger Frauenkirche einige alte Inschriften entziffern wollte, dessen innige Bitten unsere versteinerten Herzen rührten, so dass wir Ihr Gepäck wieder nach dem Gasthofe schafften und den fingirten Fremden auf seiner Forschungsreise begleiteten. Ich thue Ihnen dies desshalb kund u. zu wissen, weil Ahles auf der Rückreise von Dresden sich einige Tage in Jena aufzuhalten gedenkt und dabei möglicher Weise mit Ihnen zusammentreffen könnte.

Nun ein anderes Bild. Da Sie mir bei Ihrem Hiersein den freundlichen Vorschlag machten, mir Claparède’s Unterzeichnungen über Wirbellose zu schicken, so ersuche ich Sie, mir das Werk gelegentlich im Vereine mit der deutschen Liebe zukommen zu lassen. Ich fand wieder eine ganz sonderbare Wurm-larve auf einer Anodonta. Wissen Sie vielleicht, ob sich schon Jemand in vernünftiger Weise über den morphologischen Werth || der Cerkarien- Schwänze aussprach (ausser Kowalewsky über den analen Anhang der Ancidienlarven)a? Ich fand in den letzten Tagen in der grossen Teichmuschel eine ganze Menge Cerkarien von Distoma duplicatum, deren hinterer Anhang von grossen hellen Zellen erfüllt war; bei Betrachtung dieser Gebilde kam mir eine eigenthümliche Idee, die ich Ihnen aber noch nicht mittheilen kann, indem dieselbe noch zu sehr naturphilosophisch klingt; ich muss zuvor die nöthigen Beweise zu schaffen suchen.

Aber halt! Eine Hauptsache hätte ich beinahe vergessen. Montag in der Frühe kam Gegenbaur ins Museum, derb schon am Sonntag Nachmittag hier angelangt war. Ich machte c ihm den Vorschlag, Ihnen ein Telegramm an Seubert nachzusenden, da er aber fürchtete, die Depesche könnte am Ende doch nicht in Ihre Hände gelangen, so unterblieb die Geschichte.

Es ersucht Sie, Herren Hofrath Schleicher, Schäffer usw. bestens zu grüssen

Ihr ergebenster

Emil Bessels.

P.S. Krauss reflektirt nicht auf den Königstiger, da er gegen sein „Princip“ ist, Menageriethiere, die er nicht gratis erhält, in die Sammlung aufzunehmen.

D. O.

a eingef.: (außer Kowalewsky über den analen Anhang der Ancidienlarven); b eingef.: der; c gestr.: d

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
17.09.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7511
ID
7511