Aaron Bernstein an Ernst Haeckel, Berlin, 3. Januar 1869
Berlin 3 Januar 1869.
Ich möchte, geehrtester Herr, für heute Ihnen nur meinen Dank für Ihr vortreffliches Werk abstatten, muß aber gleich hinzufügen daß ich darin zu lesen angefangen, und es sofort auf mich mit sehr verführerischem Reiz einwirkt.
Freilich bin ich noch nicht weiter als über die Kritik der älteren Systeme der Entwicklungs-Theorien gekommen; ich stehe jetzt vor dem achten Vortrag, der in die Mitte Ihres Themas hineinführt – die politische Tretmühle, in der ich mich Jahraus Jahrein bewegen muß, macht mein Fortschreiten in allen wissenschaftlichen Arbeiten, und somit auch in Ihrem Buch zu einem sehr gemäßigten. Gleichwohl sehe ich voraus, daß ich gar bald weiter und bis an’s Ende vordingen werde.
Ich brauche es Ihnen nicht zu sagen, daß Sie vortrefflich schreiben. Diese Kunst ist in solcher Vollendung keine naive Eigenschaft, die unerkannt und unbewußt gewonnen wird. Ihr Humor bei der Arbeit geht aus dem Bewußtsein der Ueberlegenheit hervor, die Ihnen sehr wohl ansteht.
Daß ich das Buch gelegentlich anzeigen und empfehlen werde versteht sich von selbst. Für jetzt jedoch mich über die Form der Besprechung klar zu machen, bin ich natürlich noch nicht im Stande. Das wird sich erst am Ende, oder richtiger nach voller Verdauung des so weitgeschichteten Materials finden müssen. ||
Ihr Bild macht mir viele Freude, obwohl meine Kinder behaupten, es sei nicht schön genug. Die sphärische Krümmung des photographischen Apparates, der wie ich sehe auf die Brust-Gegend eingestellt ist, macht die ganze Figur kleiner und stört in der That durch eine Verkürzung der Natur den harmonischen Eindruck. Wenn Sie ein gutes Brustbild besitzen, würden Sie mir eine Freude durch Zusendung desselben bereiten.
Da Sie es erwünschen, sende ich Ihnen ein Bild von mir, so gut ich es augenblicklich habe und zeichne in aufrichtiger Verehrung
Ihr ergebenster
A. Bernstein.
Dessauer Str. 7.
NS.
Mein Sohn, Dr. Julius Bernstein in Heidelberg Assistent bei Helmholtz und von ihm gut empfohlen sucht eine Professur. Wenn Sie Gelegenheit hätten zu hören, wie es mit Czermak und eventuell mit Besetzung seiner Stelle steht, möchten Sie mich durch offene Mittheilung sehr erfreuen.