Paul Bernardelli an Ernst Haeckel, Magdeburg, 6. September 1908
Magdeburg 6.9.08
Olvenstedterstr. 53
Hochverehrter Herr Professor!
Gestatten Sie mir bitte ein paar Worte.
Als Lehrer an der Kunstgewerbeschule Magdeburg bemühe ich mich seit einigen Jahren anscheinend mit Erfolg die Zweck- und Gesetzmäßigkeit in Formen und Farben der Blütenpflanzen meinen Schülern nahezubringen, um auf diesem Wege neben der Schulung von Auge und Hand ein stilgerechtes Empfinden bei ihnen zu entwickeln.
Da ich es hierin zu einem gewissen Abschluß brachte, beabsichtige ich nunmehr unsere heimischen Insekten, Käfer und niederen Tiere zu bearbeiten, um ihre meines Erachtens reichere Formenwelt unserm Kunstgewerblichen Unterricht nutzbar zu machen. ||
Hierzu fehlt mir aber einmal genügende Kenntnis der Tiere, ihres Baues, ihrer Lebensbedingungen u.s.w., zum andern aber ein geeignetes Verfahren, mir und meinen Schülern die kleinen und kleinsten Formen genügend nahe zu bringen, um darnach arbeiten zu können.
Ihre hochgeschätzten Arbeiten auf diesem Gebiete hochverehrter Herr Professor, lassen mich jedoch hoffen, daß Sie mir einen Herren Ihrer Umgebung empfehlen, der mir an die Hand gehen möchte durch Angabe der entsprechenden Literatur resp. durch Hinführung in ein Mikroskopieren vielleicht verbunden mit einem mechanisch vergrößerndem Projektionsverfahren.
Am 30. d. M. führt mich meine Reise über Jena. || Könnte ich da vielleicht mit einem solchen Herren die Angelegenheit besprechen?
Ich wage gar nicht zu hoffen, daß Sie selbst bei Ihren umfassenden Arbeiten Zeit für mich finden, trotzdem mich eine persönliche Aussprache hoch ehren und beglücken würde. Ich könnte dann auch Arbeiten mitbringen, aus denen der von mir beabsichtigte Weg am besten ersichtlich wäre.
Darf ich hochverehrter Herr Professor in dieser Angelegenheit auf Ihren gnädigen Rat und Ihre Unterstützung rechnen?
Mit vorzüglicher Hochachtung
ergebenst
Paul Bernardelli
Maler