Anton Berger an Ernst Haeckel, Wien, 17. Oktober 1906
Wien, am 17. Oktober 1906.
Allverehrter Herr Professor!
Mein hochverehrter Meister!
Vor wenigen Tagen verließ ich die Adria um meine Studien an der hiesigen Universität fortzusetzen und um die dort gewonnenen Studienergebnisse näher zu studieren. Mit großen Erwartungen betrat ich die Küste des adriatischen Meeres am 15. August; meine Hoffnungen wurden mehr als erfüllt, denn gleich nach einigen Tagen gelang es mir einige typische Monerenarten 1866 zu finden und zwar die species: Vampyrelea, Myxastrum und Protomyxa (1866 1874) neben einer neuen Form die ich wahrscheinlich „Myxotricha“ nennen werde. Ich untersuchte mit allen den Kernaufsuchungsmethoden, welche das Plasma nicht töten (um nicht ein falsches Bild zu bekommen) aber es wara mir nicht möglich Nuclei zu finden! Neben den Moneren wandte ich den Echinodermen, Medusen etc. meine besondere Aufmerksamkeit zu. Hier in Wien verlege ich mich nun auf das specielle „Bacterienstudium“, um Ende 1907 oder 8 den I. Band der Monographie „Allgemeine Biologie der Moneren“ publiciren zu können. Ich bin neugierig was Bütschli, Hertwig, etc. Monerenfeinde dazu sagen werden! – – –
Vorgestern wollte ich den schon so lange fälligen Betrag von 50 M. an Sie, hochverehrter Meister! retournieren – da erfuhr ich zu meiner selbstverständlich nicht geringen Aufregung resp. Freude, daß die originale Generelle Morphologie 1866 tadellos in 2 Bänden zum Preise von nur 60 Kronen zu kaufen ist. Ich überlegte sofort was zu tun sei, da mehrere Käufer waren und so bezahlte ich sofort mit dem genannten Gelde. Ich bitte um dieses so wichtigen || Falles wegen, vielmals um Entschuldigung, denn wann kommt wieder eine Gelegenheit die Originalausgabe der Generellen Morphologie, jenes Werkes, daß mir A und Ω ist, zu bekommen!
Ich bin nun glückseeliger Besitzer Ihres genialen Hauptwerkes, hochverehrter Meister! und werde meine Schuld demnächst begleichen.
Ich bitte nochmals dieses unvorhergesehenen Falles wegen um Entschuldigung!
Ich werde nun für 2 Jahre circa an der Grundlage zu meiner Monerenmonographie arbeiten um dann die letzten Teile derselben, in Jena ausführen und c publicieren zu können. Vielleicht ist es dann möglich in Jena zu promovieren.
In Dekan Prof. Dr. F. Jodl, in Prof Dr Wiesner, Prof. Dr Wettstein, Prof. Dr Hatschek, Prof. Dr Zuckerkandl, Prof. Dr Exner, Hofrat Ludwig, Prof. Dr L. Müllner habe ich ausgezeichnete Lehrer gefunden, deren Vorlesungen für mich ungemein wertvoll und deren Lektüre „Feiertagslektüre“ ist, um mit K. Deubler zu sprechen.
Indem ich mir ergebenst anzufragen erlaube ob die Volksausgabe der „Lebenswunder“ schon erschienen ist, (was mich ungemein interessiert) zeichne ich in der Hoffnung daß Sie, dieser Brief bei voller Gesundheit antrifft d in Hochachtung und Verehrung
als
Ihr treuer und dankbarer Schüler
Anton Berger
Wien IX. Währingerstraße 13. Anatomie.
oder
Wien VII. Neustiftgasse 2b, II. Stiege, Tür N. 31.
a korr. aus: wahr; b gestr.: dan; c gestr.: den; d gestr.: als