Berger, Alwin

Alwin Berger an Ernst Haeckel, La Mortola, Ventimiglia, 12. April 1904

La Mortola – Ventimiglia

12. April 1904

Hochgeehrter Herr Geheimrat.

Soeben haben wir Ihre so liebenswürdige Sendung und Ihren freundlichen Brief erhalten und danken wir Ihnen auf das Herzlichste. Die Sendung hat mich sehr überrascht, die Kunstformen sind grossartig. Ich habe sie alle 4 an Sir Thomas abgegeben, damit er sich seine zwei auswähle. Er und sein Sohn Cecil waren einfach entzückt davon. Er wird Ihnen gewiss gleich schreiben. Das Bild mit Ihrer Unterschrift wird mir der || liebste Schmuck für mein kleines sogenanntes Arbeitszimmer werden und mich für immer an den glücklichen letzten Märztag dieses Jahres erinnern. Die Erinnerung an Ihren Besuch, Ihre freundlichen Aufmunterungen zu fleissiger Arbeit, die so interessanten Erzählungen aus Ihrem reichen Leben werden uns beiden für immer ein Strahl des Glückes in unser beschauliches Stillleben bleiben. Wir bedauern nur sehr, dass Sie Ihren Besuch von La Mortola nicht wiederholen konnten.

Das grosse Familienereignis hat mittlerweile stattgehabt, und vielleicht gerade zur Stunde als Sie an uns schrieben. Am Sonntag den 10., früh 9 Uhr wurde || uns ein Knäblein geboren. Es ist ein gesundes und lebhaftes Bürschchen, mit gut gebautem Brustkasten und einem schönen Köpfchen mit blauen Augen und dunklen Haaren. Die Mutter befindet sich auf dem Wege der Besserung. Alles ging normal von statten, wenn es auch schreckliche Stunden waren. Das Bübchen scheint zum Botaniker praedestiniert zu sein, denn der erste Mann, der es zu sehen bekam war Herr Geh. Rat. Adolf Engler, der Director des Berliner botanischen Gartens, der gerade auf diesen Tag bei uns zu Gast war. Die Confussion war eine grosse, aber trotzdem verlief alles gut.

Herr Geh. Rat Engler war bereits Sonnabend nachmittags nach || La Mortola gekommen, aber da in einem Nachmittag nicht viel anzufangen war, so kam er Sonntag früh zurück. Zum Glück war das Baby zur Welt. Ich wanderte sodann mit dem Herrn durch den Garten um ihm alles zu zeigen und einiges Studienmaterial zu schneiden. Am Mittag war daheim alles bereit, da meine liebe Frau noch am Sonnabend hatte alles richten lassen.

Der Besuch des Herrn Geh. Rat Engler war mir wegen meiner Mitarbeiterschaft an seinem grossen „Pflanzenreich“ von grosser Wichtigkeit. Es gab da vieles zu besprechen, was brieflich kaum so zu erledigen gewesen wäre. Er konnte so auch das bisher fertig gewordene prüfen. Es freute mich, dass er damit zufrieden war. ||

An Arbeit fehlt es mir nun nicht. Ich werde an den Aloineen allein einen Band von 300 Druckseiten haben; alsdann werden die Agaven an die Reihe kommen. Für später stellte er mir weiteres in Aussicht. Mein Herbarium von diesen dicken Pflanzen hat ihm sichtlich imponiert, besonders die Opuntien, von denen ich auch die stachlichsten gut getrocknet habe mit Blüten und Früchten, und in den meisten Fällen liegen Zeichnungen u. Photographien bei.

Dass meine Arbeit die Anerkennung eines solchen Fachmannes fand, erfüllt mich [mit] grosser Befriedigung und stärkta meinen Eifer. Ich werde Ihren Rat befolgen, ruhig hier bleiben und || fleissig sein. Der Lohn wird nicht ausbleiben.

Am späten Sonntag Nachmittag begleitete ich sodann den Herrn nach Garavan an die Bahn. Wir trafen dort noch auf der Strasse Lady u. Sir William Dyer. Nachdem dann Herr Engler ruhig im Wagen sass, eilte ich heim um mich endlich meiner kranken Frau zu widmen, die sich in der Pflege der guten Schwester sehr wohl befindet. Das Baby ist furchtbar hungrig, wir haben uns schon darüber gewundert, warum des Kindes Muttermilch erst nach einiger Zeit fliesst und warum b der kleine Weltbürger so lang Zuckerwasser schlürfen muss. ||

Die Namen des Kindes haben wir gewählt: Erich, Fritz, Ernst, letzteren nach Ihnen.

Unsere Ernesta schwärmt noch immer von Ihnen. Ihr Bild hat sie mächtig gefreut. Sie frug alle Tage, ob Sie nicht bald wieder kämen. Es hat sie sehr betrübt zu hören, Sie seien abgereist.

Am Montag Nachmittag hat Sir Thomas im Garten die Bekanntschaft des Grossherzogs und der Grossherzogin von Sachsen-Meiningen gemacht. Sie haben natürlich auch über Sie gesprochen. Ihr Besuch hatte Sir Thomas und den Seinen die denkbar grösste Freude bereitet, wie er uns den folgenden Tag erzählte. Sehr imponiert || ihm auch unter anderen Ihr Hut, meine Frau erzählte ihm sodann dessen Geschichte, seine Hoffnung eines solchen habhaft zu werden, sah er freilich dadurch vereitelt. –

In dem kleinen succulenten- und blumenumstandenen Hause an der Croce herrscht jetzt das glücklichste Stillleben. Die schöne Mittelmeernatur scheint noch einmal so heiter zu sein.

Hoffentlich sind Sie inzwischen glücklich in Ihr liebes Jena zurückgekehrt. Wir hatten Ihnen noch nach Bordinghera eine Karte geschickt, die Sie aber möglicherweise nicht erreicht.

Mit nochmaligem herzlichsten Danke und vielen Grüssen an Ihre Frau Gemahlin und Sie von meiner Frau, dem Baby und mir verbleibe Ihnen stets in vorzüglichster Hochachtung und ganz ergebenst Ihr

Alwin Berger.

a korr. aus: stählt; b gestr.: so lang

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
12.04.1904
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7349
ID
7349