Bensel, Karl

Karl Bensel an Ernst Haeckel, Kempten, 2. März 1918

Kempten, den 2. März 1918.

Hochzuverehrender Herr Geheimrat!

Seit Jahren Mitglied des deutschen Monistenbundes und eifriger Jünger Ihrer befreienden Lehren, wage ich es heute, mit einer Bitte an Sie heranzutreten.

Im Monistenbund treiben seit geraumer Zeit zankende Geister ihr Wesen, deren Tun und Treiben mir imstande zu sein scheint, das Fortbestehen des Bundes zu gefährden. Es haben sich alle möglichen Parteien gebildet, wie Sie, hochverehrter Herr Geheimrat, wohl selbst schon wissen. Da sind, um nur einige zu nennen, Ihre eigenen Jünger, dann wieder diejenigen, die nur in der Energetik Ostwalds ihr Heil erblicken. Diesen wieder stehen gegenüber die Anhänger Müller-Lyer’s, Unolds u. s. w.

Dieser „Kampf um die Wahrheit“ erfüllt viele Mitglieder des Bundes gleich mir mit Kümmernis. Merken denn die Streiter nicht, wie sie der großen Sache schaden, just jetzt, da man für die Zeit nach dem Kriege alle Kräfte zusammenfassen sollte? ||

Sehen sie nicht das Lächeln der Schadenfreue bei unseren Gegnern? Denken sie nicht an die großen Gedanken, die uns alle vereinigen müssen, gleichviel welchen Sinns wir sind? Lehnen sie nicht alle den Offenbarungsglauben ab und setzen an seine Stelle das Suchen nach der Wahrheit unter der Führung der Wissenschaft?

Darum bitte ich Sie heute: Retten Sie den Bund, Sie sind sein geistiger Vater, Ihre Autorität wird anerkannt werden. Mit Wehmut las ich Ihre gedruckten Abschiedsworte vom 18. Februar 1918. Scheiden Sie nicht von uns, verehrter Meister, ohne gleich dem alten Attinghausen dem Deutschen Monistenbunde die mahnenden Worte zuzurufen:

„Seid einig, einig, einig!

In tiefster Verehrung bin ich mit deutschem Gruß!

Ihr ergebenster

Karl Bensel

Kempten/Allg.

U. 21

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.03.1918
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7323
ID
7323