Bockelmann, Friedrich

Friedrich Bockelmann an Ernst Haeckel, Rudolstadt, 26. Mai 1903

Hochgeehrter Herr Geheimrath!

lieber Herr Professor!

Ich bin ganz untröstlich, daß ich von meinem Heim in Rudolstadt abwesend war, als Sie uns mit Ihrem Besuche beehrten, hoffe aber, daß Sie sich nicht dadurch abhalten lassen uns mit Ihrem Besuche demnächst zu erfreuen, bitte aber um Benachrichtigung vorher, damit mir [!] nicht wieder, das Mißgeschick trifft Sie zu verfehlen; meine Frau u. Tochter, die sich Ihnen und Ihrer geehrten Frau Gemahlin empfehlen, bitten || ebenfalls um eine Wiederholung Ihres Besuches! wir könnten, d. h. meine Tochter u. ich gemeinsam mit Ihnen einen Ausflug nach Schwarzburg [unternehmen]; auch dort würden Se. D. und der Hofmarschall v. Priem ganz besonders erfreut sein Ihre Bekanntschaft zu machen. Wir sind große Anhänger Ihrer philos. Richtung und lesen Ihre Werke eifrig. "Welträthsel" kommt nicht von meinem Tische; es ist mir ein besonderer Genuß mit wachsendem Verständniß in Ihre Art zu denken mich hinein zu arbeiten. Da ich schon seit 30 J., anfänglich mit Dr Strube gemeinsam, Ihre Schriften studirte, so bin ich jetzt im Alter hin-||reichend vorbereitet, Ihren Anschauungen der Lösung der höchsten Probleme folgen und verstehen zu können.

Ich und Ihre Anhänger haben hier mit den orthodoxen Theologen zu streiten und wurde ich persönlich angegriffen, doch davon mündlich mehr.

Leider contreparirte in merkwürdiger Form der Dr theolog. hon. c. E. unsere Bestrebungen nach Aufklärung im naturwissenschaftlichen Sinne; wenn Goethe paßte wurde dieser citirt und β Kant vergöttert, ɑ Kant ignorirt; cosi fan tutte! Infinite und groteske orthodoxe Theologen.

Mein kleines Ich hatte vergangenen Winter viel zu leiden, die dumme Influenz || hatte mich stark gepackt und empfinde ich noch die Nachwehen, ich spüre, daß meine Widerstandsfähigkeit gegen äußere Einflüße arg gelitten hat. Ich war in vergangener Woche einige Tage in Schnepfenthal b. Gotha (Hotel Herzog Alfred); von dort kann man reizende Promenaden auf Waldwegen ohne Terrainsteigerung machen. Da ich in meiner Knabenzeit (1845.) Zögling der Anstalt war, habe ich Sympathie durch angenehme Jugenderinnerungen für dortige Gegend etc. behalten.

In der Hoffnung die Freude zu haben, Sie recht bald, sei es hier, sei es dort, zu sehen grüße ich Sie herzlichst!

Ihr

F. Bockelmann

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
26.05.1903
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7185
ID
7185