Franz Keller-Leuzinger, Stuttgart, 16. Oktober 1882

Stuttgart. 16 Oct. 1882.

Lieber Herr Professor!

Ich erhalte soeben von Hofrath Zoller, (Deutsche Verlagsanstaklt) – den ich persönlich kenne, – u. dem ich nochmals von Ihrem Reisewerke gesprochen, – die wenig erfreuliche Mittheilung, daß mein Vorschlag bei der Berathung abgelehnt worden sei, – weil die Verlagsanstalt mehrere große Unternehmen im Gange habe. –

– Wenn ich daran denke, welchen Schund unsere Verleger manchmal publiciren, u. wie ganz anders sich Engländer und Franzosen a in analogem Falle || einem Manne von Ihrem Namen u. Ihren Verdiensten gegenüber benehmen würden, so kann ich nicht umhin, das starke Wort auszusprechen, daß ich mich des Vaterlandes schäme. –

Es bleiben also nur die beiden Münchener übrig, die durch ihre englischen Verbindungen sich vielleicht induciren lassen – – Wenn Sie schon an diesselben [!] geschrieben haben, so bitte ich es mich wissen zu lassen. || Ich bin so verstimmt und so verdrießlich wie nur möglich u. wollte ich säße an den Ufern des Amazonas u. sammelte Cacao u. Kautschuk, – da bekomme ich vor wenig Tagen dieb Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung vom 2t July d. J. zugeschickt mit einer Besprechung des Hellwaldschen Buches, worin auch meiner in „liebenswürdigster“ Weise gedacht wird, indem der Anonymus sogar auf mein längst erschienenes Amazonasbuch zurückgreift u. sich dahin ausspricht, daß an der Glaubwürdigkeit der darin gebotenen Illustrationen zu zweifeln sei.

Ich schrieb sogleich an den Redacteur, einen Dr. H. Marbach, u. erhalte nach einigem || Verzuge den Bescheid, daß ein Dr. Obst der Verfasser sei. – – Obst, sage ich mir, – Obst, ? – ? – Richtig! Das ist derselbe Mensch, der mich einmal vor 6–7 Jahren in der zudringlichsten Weise um Indianerwaffen, Schädel etc. für sein ethnographisches Museum anbettelte u. den ich damals ablaufen ließ! – – Es geht doch Nichts über die nobeln Gesinnungen eines penny-a-liners, – verbunden mit gutem Gedächtniß! – .

Auf meine Anfrage bei einem Manne des Rechtes, erhielt ich zur Antwort, daß ich den Schuft, – der ja nur die Glaubwürdigkeit meiner Bilder, nicht aber meine eigene bezweifelt, gerichtlich nicht belangen könne! – – ein hungernder Proletarier aber der ein Wurst stiehlt, – kommt auf drei Tage in’s Loch! – . Es lebe das Gesetz und die Gerechtigkeit!

Mit bestem Gruß Ihr ergebenster

F. Keller-Leuzinger.

a getsr.: sich; b korr. aus: eine

Brief Metadaten

ID
7107
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
16.10.1882
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,9 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7107
Zitiervorlage
Keller-Leuzinger, Franz an Haeckel, Ernst; Stuttgart; 16.10.1882; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_7107