Richard Greeff an Ernst Haeckel, Marburg, 27. Januar 1877

Marburg den 27.1.77.

Lieber Haeckel!

Indem ich Dir für die Zusendung des Heftes über die Physemarien etc, das ich mit großem Interesse lese, bestens danke, erlaube ich mir Dich bezüglich der von mir beobachteten Protohydra auf einen Irrthum aufmerksam zu machen, der mir jetzt schon zum zweitenmale entgegentritt, nämlich daß Du glaubst ich behaupte die Protohydra pflanze sich nur durch Quertheilung fort. Wie Du auf der letzten Seite meiner kleinen Abhandlung sehen wirst || habe ich das alleinige Vorkommen der ungeschlechtlichen Vermehrung nur als eine (vielleicht unvorsichtigerweise ausgesprochene) entfernte Möglichkeit hingestellt „während unzweifelhaft“ wie meine Worte lauten, „die weit größere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß, wie bei den meisten Hydromedusen, so auch bei Protohydra eine uns noch unbekannte Metagenese vorkommt, die im Blick auf die nahestehende Hydra bezüglich der geschlechtlichen Generation wahrscheinlich in der Produktion von Geschlechtsgemmen bestehen möchte“.

Aber das habe ich mit Bestimmtheit ausgesprochen und glaube auch jetzt noch daran festhalten zu müssen, daß || Protohydra in der von mir beobachteten ungeschlechtlichen Stufe, gerade so wie Hydra, eine vollkommen ausgebildete Coelenteraten-Form repräsentirt, die sich auch bei der Entwicklung von Geschlechtsprodukten nicht wesentlich verändern wird. Ich habe die Thiere ein paar Monate hinter einander beobachtet. Sie vermehrten sich in meinen Gläsern, aus dem ursprünglichen Material hervorgehend, in ganz enormer Weise und zwar bloß durch die, wiederholt Schritt für Schritt verfolgte Quertheilung, ohne daß ich je, trotzdem ich fast täglich controllirte, eine nur in etwa abweichende Form sich hätte entwickeln sehen. Ich bedaure deshalb aufrichtig, daß Du die, wie mir scheint, in allen Fällen interessante Stammform || (selbst, wenn sie eine bloße Larvenform wäre) nicht anerkannt hast und bitte Dich noch einmal einen Blick in meine Abhandlung und die Abbildungen zu werfen. Du wirst Dich dann als Kenner der Coelenteraten überzeugen, daß meine Beobachtungen über Protohydra mit der Annahme eines hydroiden-artigen Larvenform unvereinbar sind.

Ich ergreife gerne diese Gelegenheit um Dir noch einmal, nachdem wir so lange außer persönlichem Verkehr gestanden haben, einen freundlichen Gruß zu senden in der Hoffnung, daß es Dir und den Deinigen wohl ergehen möge. Uns geht es im Allgemeinen recht gut.

Dein R. Greeff

Meine Frau grüßt Dich ebenfalls bestens.

Brief Metadaten

ID
71
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
27.01.1877
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
13,7 x 21,7 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 71
Zitiervorlage
Greeff, Richard an Haeckel, Ernst; Marburg; 27.01.1877; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_71