Bleek, Wilhelm Heinrich Immanuel

Wilhelm Heinrich Immanuel Bleek an Ernst Haeckel, London, 25. Mai 1869

14 Princes Street

Cavendish Square

London W

Dienstag, 25 Mai 1869

Lieber Ernst,

Seit vorigem Donnerstag sind wir nun in London, werden hier einige Zeit bleiben, und dann nach Bonn und Berlin gehen. Genau sind unsere Pläne noch nicht festgestellt. Wir müssen uns eben umsehen, was am besten zu thun ist. Ich möchte nun gerne wissen was Deine Pläne für den Sommer sind. Ich möchte eben gerne dass wir irgendwo zusammenträfen. – Ich habe auf der Reise Deine Natürliche Schöpfungsgeschichte gelesen, und ich hatte lange kein Buch gelesen, aus dem ich so viel und so wichtiges gelernt habe. In Bezug auf den Stammbaum der || Menschenrassen wirst Du Dich nicht wundern, dass ich glaube, dass Du Dich in manchen Details geirrt hast. So glaube ich z.B. dass es ein Irrthum ist, der Malaischen Rasse eine so hervorragende Position zu geben. Meiner Meinung nach sind sie eine blosse Mischrasse zwischen Schwarzen, wollharigen Negroartigen und weissen oder gelben Rassen, – eine in mancher Hinsicht sehr gelungene Mischrasse, doch aber mit den Eigenschaften einer solchen. Hottentotten und Neger würde ich ferner nicht so nahe zusammenstellen, – wenigstens nicht ursprünglich, obschon nicht zu leugnen ist, dass die Hottentotten viel Negerblut durch Vermischung eingesogen. Ursprünglich würden wohl die Hottentotten mit den Nordafrikanischen Stämmen und diese mit den Kaukasiern zusammenhängen.

Die Buschmänner würde || ich auch von den Hottentotten abtrennen, obschon sie auch natürlich sich häufig mit denselben vermischt haben. – Als das wahrscheinliche Geburtsland der Menschheit möchte ich Afrika desshalb am liebsten ansehen, weil dort nicht nur die menschenähnlichsten Affenarten (Chimpansee u. Gorillas) sondern auch die ursprünglich verschiedenartigsten Menschenrassen sich zusammenfinden. Doch natürlich dies sind blos Hypothesen. – Hast Du etwa gehört, ob das Buch etwa ins Englische übersetzt wird? Ich hörte, dass schon voriges Jahr man daran gedacht hatte, Deine Morphologie ins Englische zu übersetzen; dass man aber fürchtete, das Englische || Publikum werde zu sehr Anstoss an vielen Deiner Bemerkungen nehmen. Ich glaube guta übersetzt, mit etwa einem Vorworte von Huxley, oder irgend einem anderen in England wohl bekannten Gelehrten, eingeführt, würde das Buch in England einen guten Absatz haben. –

Doch ich muss schliessen. Freundliche Grüsse an Dich u.b Deine Frau, der, sowie Deinem lieben Jungen, es hoffentlich wohl geht, von meiner Frau und Deinem getreuen Vetter

Wilhelm Bleek

Vielen Dank für die Herausgabe etc. meines „Ursprungs“.

a eingef.: gut; b eingef.: Dich u.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
25.05.1869
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7050
ID
7050