Auguste Bleek an Ernst Haeckel, Bonn, 15. November 1872
Bonn den 15t Novbr. 72.
Lieber Ernst
Wie Du aus beifolgender Quittung ersiehst habe ich das für Wilhelm übersandte Geld bereits vor fast 14 Tagen erhalten. Die letzten Tage mit Hermann, der vor reichlich 8 Tagen uns verlassen hat, hat unsere Zeit, und a Gedanken ganz in Anspruch genommen und dann war wieder allerhand Anderes, was hindernd in den Weg trat, so daß Hedwig, die es übernommen Dir zu schreiben, nicht dazu kam. Sie ist mehr als gewöhnlich durch allerlei häusliche Geschäfte in Anspruch genommen, weil sie allein ist, da Anna am Montag nach Lippstadt gereist ist, wo ihre Anwesenheit gewünscht wurde zu Maries Hülfe und Pflege, die täglich ihre Entbindung erwartet und nach Vorschrift des Arztes 6 Wochen lang nachher liegen muß, so daß die Kinder der Aufsicht bedürfen. Bertha Pine, die gehofft hatte hingehen zu können, || ist leider nicht wohl genug.
Also Dank für die Uebersendung des Geldes, das ich Wilhelm in Einnahme gestellt habe. Auch die von Wilhelm für uns beigepackten Sachen haben wir seiner Zeit richtig erhalten. Ich bin zweifelhaft, ob Dir es angenehm ist, daß solche Sachen davon für das Museum beigepackt sind; ist das der Fall, so ist es ja besser man schreibt ihm darüber. Dein Buch über die Schöpfungsgeschichte wird er erst spät erhalten haben, da ich lange keine Gelegenheit hatte. Von England aus kann man Bücher mit der Buchpost schicken, das kostet nicht viel, aber von hier aus geht das wohl nicht. Ich wünsche Dir Glück zur Beendigung Deiner neuen Arbeit und der Aussicht Dich anderen Pflichten – besonders dem Familien- und Freundeskreise mehr widmen zu können. – Daß Du mir Wohnung im Hause der Eltern Deines Freundes Max Schulze besorge, hatte ich schon durch diese gehört. Derselbe hat am Montag das neue Anatomie-Gebäude feierlich eingeweiht; Deinen beiden Hartwigs wohnen als Assistenten darin. || Schulze selbst läßt sich ein neues Wohnhaus in derselben Gegend bauen. Das Haus, worin wir wohnen ist b verkauft und nur fraglich ob wir schon diesen Mai oder übers Jahr ausziehen müssen. Miethwohungen sind hier sehr wenige zu haben. Fast jedermann kauft sich ein Haus; es wird unglaublich gebaut, aber die Bauunternehmer verkaufen nur, vermiethen nicht. Ich werde mich auch wohl zum Ankauf oder zum Baue eines Hauses entschließen müssen. Eine Miethwohung, wie Du die Deinige beschreibst, würde hier – aber 2 Treppen hoch – mindestens 4 bis 500 Thlr. kosten.
Auch T. Bertha schreibt mir, daß Mutter recht schwach geworden. Das thut mir sehr leidc. Ich freue mich, daß sie Euch im Herbst noch besucht und sich Eures Elternglückes gefreut hat. Ich würde mich sehr freuen sie mal bei uns zu sehen.
Ueber des jüngeren Karls Erkranken bin ich recht betrübt. Hoffentlich geht es bald wieder besser.
Grüße Deine liebe Frau herzlich von mir und Hedwig; auch Minchen, meines Johannes Wittwe, die mit ihrem Jungen hier ist, schließt sich unbekannter Weise unsern Grüßen an Euch an. In treuer Liebe Deine Tante
Auguste Bleek.
a gestr.: und; b gestr.: auch; c eingef.: leid