Keller, Conrad

Conrad Keller an Ernst Haeckel, Zürich, 23. November 1889

Zürich, dℓ. 23. Nov. 1889.

Hochgeehrter Herr Professor!

Für die Uebersendung Ihrer beiden Werke erlaube ich mir Ihnen meinen besten Dank auszusprechen.

Ihre Tiefsee-Keratosa haben mich in hohem Grade interessirt u. wie man mir von auswärts schreibt, erregen die merkwürdigen Formen besonderes Interesse.

Da ich mich seit Jahren mit Spongien der tropischen Meere befasse, sehe ich hier Glieder der Tiefseefauna, die bisher fehlten u. uns neue Aufschlüsse geben. Ich glaubte den Phyllospongidae den Werth einer besonderen Familie vindiciren zu sollen. Ihre blattartigen Spongeliden, wie sie es andeuten, haben zu Phyllospongia die engsten Beziehungen, vielleicht noch mehr zu den in tropischen Meeren so formenreichen Carteriospongien, etwas abstehend sind Ihre Stammonidae.

Es scheinen mir diese sonderbaren Tiefseeformen Abkömmlinge der littoralen Carteriospongien zu sein. Die so weit verbreitete Carteriospongia otahitica der Strandregion stimmt mit der Gattung Psammophyllum so vollkommen || überein, dass ich sie derselben geradezu einverleiben möchte.

Haupt u. Nebenfasern sind nicht scharf zu unterscheiden, das Pseudoskelett ist wie bei den meisten Carteriospongien stark entwickelt, nur treten an die Stelle von Radiolarien Sandpartikel. Das Gewebe ist dicht erfüllt mit Symbionten. Viele Spongiologen werden einwenden, dass sich bei diesen blattartigen Tiefsee-Keratosa keine Geisselkammern nachweisen liessen.

Ich glaube aber, dass wir uns an die Vorstellung gewöhnen müssen, dass es auch Spongien ohne Geisselkammern gibt. Dieselben konnte ich auch bei Carteriospongia otahitica niemals auffinden. Die zahlreichen Symbionten machen dieselben vielleicht überflüssig.

Wichtig erscheint das Auftreten von Filamenten, über deren Natur wir unabhängig zu dem gleichen Resultaten gelangten. Es scheint, dass die Hircinien den Ausgangspunkt der Phyllospongiae bildeten.

Nicht geringeres Interesse haben die Psamminiden, welche Sie in die Nähe der Myxospongien stellen. Es wird Sie vielleicht interessiren, dass manche Exemplare von || der erythräischen Halisarca cruenta ein Pseudoskelett bilden u. ich besitze Durchschnitte, welche denen von Psammina (1D auf Tafel VII) auffallend ähnlich sehen.

Ich verbleibe mit ergebenem Gruss

Hochachtungsvollst

Ihr

C.Keller

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.11.1889
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6767
ID
6767