Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Kitzbühel, 24. Juni 1917

Kitzbühel am Jochberg

24.6.17.

Mein lieber, lieber Freund!

Eine Ansichtskarte die ich sandte kam zurück. So will ich Ihnen nochmals herzlich danken für Ihre mir so liebe Karte.

Gelt nun schaun Sie, daß Sie Nachricht von mir aus Kitzbühel erhalten. Ja dies ist nun schneller gegangen als ich gedacht habe. Ich bekam das Ansuchen gleich beim roten Kreuz in Innsbruck eintreten zu wollen. Von dort wurde ich nach Kitzbühel gesandt u. hier habe ich ein kleines Spital einzurichten im alten Schloss Kapsa das neue liegt nebenan, ist aus dem 16. Jahrhundert, ein wundervolles Gebäude. Die Frau Gräfin eine liebe nette Dame hat mein ganzes Zimmer mit Ihren Möbeln ausgefüllt, so daß ich recht wohnlich wohne. Das Alles liegt so herrlich, so wunderschön und ich bekomme jeden Tag 1/2 lt. Milch die reine Sahne was ja jetzt die Hauptsache ist. || Meine Frau Oberin eine fromme Schwester ist eine selten gute Seele u. habe ich sie von ganzem Herzen lieb. Es giebt nichts selbstloseres als so eine gute, fromme Schwester.

Ich werde nur 25 Kranke haben, aber dafür werden sie es recht gut haben. Es macht mir ein solche Freude alles so nett herzurichten, Blumen stehen in jedem Zimmer alles wartet der Kranken die da kommen sollen. Ach lieber Freund nur eins tut mir weh unser Wiedersehen. Wann wird dies sein? Nun vielleicht kann ich im Herbst Urlaub bekommen und wenn es ein paar Tage sind. Dann eile ich zu Ihnen u. zu meinem lieben Mütterlein. – Hier ist es so wunderschön, ach die Bergespracht in ihrem satten Grün. Ich weiß nicht waren Sie in Kitzbühel? Lieber Freund Sie boten mir einmal nach Budapest kl. Bücher u. Schriften an, hier ist es einsam hier könnte ich mir Ruhe in Ihren Werken weilen. Wenn Sie einige kleine Sachen noch hätten dann bitte ich recht herzlich darum. Wenn erst Äpfel sind bekommen Sie wieder die Schönsten.||

Mein Gedankengang!

Grünes Tal und Waldgebirge

Sonnenschein auf Blumenwiesen

Felsenzacken stehn zum Himmel

Bergesland, o laß dich grüßen!

Bächlein tosen durch die Schluchten

Donnern an dem Gang vorbei,

Gleich als ob sie etwas suchten,

Mit der Liebe wildem Schrei!

Schweigend senken Baumesriesen

Ihr Geäst zum Kühlen Grund

Mögt aus ihrem Schweigen schließen

Daß sie weinen um die Stund.

Manchmal wieder tönt ihr Rauschen

Feierlich wie Geistersang.

Daß Du mußt mit Andacht lauschen

Ihrer Flügel Sturmesklang.

Oben auf den Matetn leuchtenb

Purpurrot ins Himmelsblau

Aus dem Grün wie Strahlbefeuchtet

Alpenros im Morgentau.

Möcht hinaus sie dir zu pflücken

Dir zum Gruß an deine Brust||

Möcht ja ewig dich nur schmücken

Du mein Leid u. meine Lust.

Kitzbühel am 24.6.17.

Was sagen Sie dazu? Ja Sie sind auch mein Leid, ich will, ich muß Sie bald Wiedersehen. Bleiben Sie mir nur ja gesund.

Wie geht es der lieben jungen Frau Else? Ist sie noch bei Ihrem Gatten? Schreiben Sie mir lieber Freund rechtbald u. nehmen Sie sich sehr in Acht. Wie verbringen Sie Ihre Tage. Noch immer viel zu tun. Wann bekomme ich Ihr Bild? Eins hängt in meinem Zimmer aber nur so klein, ach hier sind Sie überall bei mir. Nun grüße ich Sie innigst u. küsse Sie herzlichst in dankbarer Liebe immer

Ihre Marg. Bothe.

Wie sieht es dort jetzt aus. Hier kann man mit 15 K. zu Tag noch ganz gut leben, ja so gar fein.

a irrtüml.: Maps; b korr. aus: leuchtet

Brief Metadaten

ID
6553
Gattung
Brief mit Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Österreich
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich-Ungarn
Datierung
24.06.1917
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,8 x 19,4 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6553
Zitiervorlage
Bothe, Margarete an Haeckel, Ernst; Kitzbühel; 24.06.1917; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_6553