Bothe, Margarete

Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Meran 23. Oktober 1916

Meran 23.10.16.

Mein liebster, bester Freund!

Nun bin ich in dem schönen Meran in meinen Bergen. Ach, es ist so schön hier. In der sonnendurchfluteten Herbstespracht merkt man nichts von dem großen Weh, hier ist Ruhe, hier ist Frieden. Anbei sende ich Ihnen liebster Freund 30 Äpfel, hoffentlich wird nichts genommen. Mir hat man 1 Koffer erbrochen und verschiedenes gestohlen, ach jetzt reisen, ist mehr als furchtbar. Was ich alles durchgemacht habe war wirklich fürchterlich. || Hier ist Butter weder Fett. Das Fett kostet das Kilo 22 K. Sonst ist kein Hunger. Obst ist zwar sehr teuer, doch zu erhalten. Kastanien sind in Hülle falls ich höre daß welche die Post durchläßt sende ich Ihnen. Da die Kartoffeln in Deutschland nicht besonders sind ist mal 1 paar Kastanien eine Abwechslung.

Wie geht es nun Ihnen? Ach ich bin immer in Gedanken bei Ihnen. Jetzt lese ich die Monistischen-Bausteine. Die Schreibweise über Ihren Kirchenaustritt gefällt mir außerordentlich. Ach ich möchte Ihnen noch so manches sagen; aber diese Censur soll nichts lesen was ich fühle und denke. Haben Sie meinen Brief aus München und || Innsbruck erhalten? Ach könnte ich Ihnen die Sonne u. Blumen senden die in so großer Hülle hier sind. Auf den Bergesspitzen liegt Neu-Schnee u. wenn die Sonne darauf scheint ist ein flimmern und glänzen.

Denken Sie nur liebster Freund ich bin jetzt Dorf.-Dr.. Hier sind so wenig D r.. Da gehe ich zirka vor 10 Tage in die Berge treffe da ein armes Weiblein der ein Wagen übern Bauch gefahren ist, der sah schrecklich aus, na u. seit dem ich sie behandle ist es schon fast gut. Alle 2 Tage steige ich in die Höh, da kommt bald dieser u. jener mit einem Leid oder Weh. Der Vorteil aber ist, die Bauern verkaufen mir Butter Killo 8/S. Eier u.s.w. Sonst bekommt man nichts heraus, die behalten alles selbst. || Habe noch eine Menge Weintrauben und Feigen zu essen bekommen, hatte schon Sorge, daß sie alle werden, ehe ich her komme. Ob ich hier bleibe ist trotzdem unbestimmt. Wenn man mich braucht u. ruft werde ich gehen. Freunde sind nur wenig hier. Militär ziemlich, die Züge sind jeden Tag voll Soldaten. Wie siehts in meinem lieben Jena aus? Immer sehe ich Ihr mir so lieb gewordenes Zimmer vor mir, lege [!] es in meiner Macht ich möchte den Raum wo ich wohne eben so gestalten. Schreiben Sie mir liebster Freund recht bald, ich sehne mich ja so sehr nach ein paar Zeilen von Ihnen. Na im Frühjahr sehen wir uns! Also durchhalten, und schön gesund und froh bleiben, es hilft ja nichts, wenn wir den Kopf hängen lassen und man macht nur Kreuz und Leid größer durch die Traurigkeit. In dankbare Liebe küsse ich Sie innigst

Ihre M. Bothe.a

a weiter am Rand: durch die Traurigkeit … M. Bothe

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
23.10.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6546
ID
6546