Bothe, Margarete

Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Budapest, 8. Februar 1916

Budapest 8.2.16.

Mein liebster und bester Freund!

Im Drang der Arbeit schweigt das Leid wohl still,

Als ob es schliefe;

Man fühlt’s erst, wenn man Feste feiern will

In voller Tiefe.

Wir brauchen für tüchtige Tagen

Noch immer den günstigen Stern

Wir brauchen so notwendig dein raten

Damit wir bestehn, vor dir unserm Herrn.

Bald ist nun Ihr lieber Geburtstag da, an welchem ich so gerne Ihre mir so lieben Hände nehmen möchte, Ihnen in Ihre lieben, treuen Augen schauen und alles Liebe || zurufen. Im Geiste will ich dies alles tun und Sie lieber Freund sollen an diesem Tage, auch eine Minute mir schenken. Anbei sende ich ein Bild von mir, in der Kleidung der Menschenliebe. Lieber Freund Sie loben mich für das, was ich tun muß. 5 Brüder stehen im Felde, ich soll allein zurück stehen?

Ich habe schon viel Elend gesehen, niemals aber hat es mich so stark, so wild gepackt wie diesmal, als so viele neue Verwundeten ankommen. Lauter starke, markige Manneskraft, lauter eherne Jugend war darunter. Nicht unsere liebe Muttererde hat es getan, sondern feindliche, haßerfüllte Menschen in freventlich heraufbeschworenem Kriege schlugen diese Wunden. Soviel schönes, brausendes Leben, so viel Werdendes, Erwachendes gemein vergewaltigt, wüste zertreten, || Dann wieder das Leben und Treiben hier, diese grenzenlose Lebensehnsucht, zu dem großen Sterben unserer Tage so grell, so wild kontrastiert. Und dann, in alle den leidenden schmerzerfüllten Gesichtszügen zu lesen, ein einziges flehendes Sehnen nach dem Leben, ein inniges, inbrünstiges Gebet nach dem Erlöser: dem Frieden.

Wann wird er kommen?

Nun komme ich mit einer großen Bitte, nicht für mich, sondern für arme leidende Soldaten, die alles gegeben haben, und so notwendig das Nötigste brauchen. Von Ihrer lieben Hand etwas gezeichnet wird segen bringen, Sie sollen der Erste sein, am Werk der Menschenliebe, an alle meine Bekannten soll der Bogen wandern, darum bitte gleich zurück senden. Ich schreibe Ihnen dann wie hoch ich gekommen bin und was ich dafür tun konnte, es wird auch sie freuen?|| Vor allem hoffe ich von ganzem Herzen, daß Sie wohl und munter sind und noch so froh, als wir zusammen waren. Ich bin ziemlich erkältet, nun mir fehlt der Süden, d.h. die liebe, gute Sonne.

Herr Boskai dankt herzlich für den freundlichen Gruß und erwidert ihn auf das beste. Sein liebes 15jähriges Töchterchen meine kl. Freundin bittet mich, ich soll auch sie, dem lieben, guten Herrn Häeckel zu seinem Geburtstage Glück wünschen lassen, nun sie schreibt selbst:

Lieber Herr Häckel zu ihrem Geburtstage rufe ich heulich alles liebes und gutes zu. Mit freundlichen gruss von

Ilonka Bocskay.a

Auch Herr Boskai [!] wünscht Ihnen lieber Herr Häeckel alles Gute vor allem Gesundheit, damit wir noch recht viel schönes von Ihnen lesen werden.

Mit besonderer Hochachtung Bocskaÿ.b

Ich aber küsse Sie lieber Freund innig und herzlich in dankbarer Liebe und Verehrung immer Ihre treue Freundin

Marg. Bothe.

Budapest Raday ut 26 III Tür 10.

a egh. von Ilonka Bocskay: Lieber Herr Haeckel zu …Ilonka Bocskay.; b egh. von Bosckaÿ: Mit besonderer Hochachtung Bocskaÿ

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.02.1916
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6530
ID
6530