Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Budapest, 6. Januar 1916
PALACE-SZÁLLODA BUDAPEST
Budapest, 6.1.16.
Mein lieber Herr Häeckel!
Vor allem danke ich Ihnen herzlich und innig für Ihre mir so liebe Karte und für das Buch meinen besonderen Dank.
Sie haben mir damit eine sehr große Freude gemacht und bin ich im Besitze desselben sehr glücklich.
Aber nun will ich Ihnen noch herzlich danken für Ihre Güte und Menschenliebe. Ja, so ist mein Freund, nicht an sich selbst denken, immer helfend, rettend eingreifen wo es Not tut.
Dies ist es, was unsere Seelen bindet. Wenn ich auch nicht in diesem hohen || Maße helfen kann, so drängt es doch meine Seele, so viel als möglich Gutes zu tun. Und es tut mehr als Not, hier kann man Dinge sehen, wo sich das Herz fragt, ist es möglich das Menschen, gebildete Menschen so handeln können.
Ich hätte liebe deutsche Brüder gepflegt, denn ich bin von ganzem Herzen Deutsche. Darum auch damals die Bitte an Sie in Jena helfend eingreifena zu können.
Nun bin ich in einem sehr großem Haus. 700 Kranken soll geholfen (werden) sein. Und es fehlt oft am Aller Notwendigsten. Das eine große Glück ist, daß das Wetter mild und schön ist. Ich würde es sonstb vor lauter Sehnsucht nach Meranc nicht aushalten.||
Das liebe Weihnachtsfest ist nun vorüber, wie habe ich an Sie gedacht in diesen Tagen, die froh sein sollen und so sehr von Schmerzen voll waren.
Wie freue ich mich, daß Sie lieber Herr Häeckel das liebe Fest leidlich verbracht haben. Doch die größte Freude ist es mir, daß Sie sich wohl fühlen, darum habe ich auch zuerst das Buch mit einer so großen Freude an das Herz gedrückt, sagte es mir doch, daß wenn Sie wieder schreiben, denken, helfen wollen, es Ihnen vor allem gesundheitlich besser gehen muß. Ich weiß nicht warum wir gerade Ihr letztes Buch eine so große Freude gemacht hat? Vieleicht [!], weil mir mein Herz zugerufen hat, nun fangen Sie noch einmal an, und daß [!] ist gut so, denn wenn auch || Sie lieber Freund die Flinte ins Korn werfen, was soll dann aus uns werden? Sie sind ja unsere Eiche, die sich nicht vom Sturm bewegen lassen darf.
Was ist dies, was ich leider jetzt so oft finde, Menschen, gebildete Menschen die schon von all dem frei waren, sind da draußen wieder klein und feig geworden. Sie verstehen mich, gelt? Sagen Sie mir lieber Freund was war das mit Ihrem Freund Ostwald, ich habe leider diese Sache nur ganz flüchtig gelesen, doch schreibt mir Herr Bankdirektor, das [!] Professor Ostwald zurückgetreten wäre?
Nun will ich Ihnen etwas lustiges erzählen: „Wer sind die 3 schwersten Kranken auf der Welt? Der deutsche Kaiser der Zar Nikolaus und der Papst. Warum? nun – Der deutsche Kaiser muß immer fort einnehmen. Der Zar Nikolaus muß immer laufen. Der Papst sitzt auf dem Stuhl und kann nichts machen.||
Nun möchte ich Sie noch herzlich bitten mir doch das übersetzte Liedchen zu schreiben. Nun schwingt die Seele sich wohl in die Höh, jähe sie geht nicht von dem Kanapeed u.s.w.
Wir haben einmal so herzlich darüber gelacht. Auch ich freue mich unendlich auf unser Wiedersehen im Frühjahr.
Wie gesagt, hier ist viel, sehr viel zu tun. Man sagt schon, wo die Schwester Margit ist, da ist deutsche Ordnung.
Es ist darum schön, weil alle Herren vom obersten bis zum letzten damit einverstanden sind, daß Ordnung sein muß und mir in jeder Beziehung hilfreich die Hand bieten. Dies ist dann meine Freude. || Ich könnte ein Liedchen singen, doch muß ich wegen Censur schweigen.
Wenn doch bald der Friede da wäre, obwohl hier zum Glück Mehl in Hülle und Fülle da ist. So schönes, feines, gutes Mehl. In Prag war nichts zu bekommen. Wenn ich doch all den Menschen die ich liebe, so schönes Mehl senden könnte. Aber nichts lassen sie durchgehen.
Meine arme liebe Mutter ist so unglücklich gefallen und hat sich so weh getan. Die Nachrichten laufen so langsam ein.
Nun bleiben Sie wohl auf, lieber guter Freund und wenn Sie in klein wenig Zeit haben || dann denken Sie einen Augenblick an die Schwester Margit, die sie von ganzem Herzen lieb hat und sich riesig freut von Ihnen ein paar Zeilen zu erhalten.
Nun küsse ich Sie im Geiste innig und herzlich und bleibe immer Ihre ganz dankbare Sie liebhabende
Marg. Bothe.
a korr. aus: eingreifend; b korr. aus: sonst es; c eingef.: nach Meran; d korr. aus: Kanappe