Margarete Bothe an Ernst Haeckel, Meran, 5. Juli 1914
Meran d. 5.7.14. Villa Driburg.
Mein lieber, guter Herr Haeckel!
Herzlichen Dank für Ihr mir so unendlich liebes Bild. Wie gut und lieb Sie wieder darauf ausschaun.
Auch für die beiden Bücher danke ich Ihnen lieber Herr Haeckel innigst.
Wie tief und schön ist doch Ihre Denkweise. O! die glücklichen Menschen die immer bei Ihnen sein dürfen.
Wie gern möchte ich Sie nur eine einzige Stunde haben, Sie lieber, guter Mann Sie. Vieleicht darf ich im 9 August nach Deutschland fahren, darf ich dann Sie eine Stunde sehen??? || Ich mache jetzt sehr viel große Bergturen. Wo es am schönsten ist, muß ich an Sie denken. Finde ich eine seltene, schöne Blume so möchte ich sie Ihnen zeigen. Weil ich weiß, es würde Ihnen Freude machen.
Nun will ich Ihnen von einer der schönsten Fußwanderung erzählen, die ich jetzt gemacht habe. Ein wunderbarer Sonnenaufgang, früh 3 Uhr mit Rucksack und Hose losgegangen. Nach der Zielspitze über Partschins. In Partschins ist ein eigenartiger, großer Wasserfall. Stundenweit hört man das stürzende Wasser. Die Sonne lachte so goldig auf das breite, brausende, silberne Band, weit hin springt der Gischt.
So frisch und munter stützt er ins Tal hinunter, so daß man glaubt im Regen zu stehen. Mir wird so frisch und frei zu Mut, wie gut würde es Ihnen tun. –.
Ich ging dann bis zur Quelle wo der Fall heraus kommt. Dann war ich auf || der Alm, welch schönes, schönes Bild. Grüne weite, weite Matten, so dick und bunt mit Blumen besaet. Hier ein Häuschen, da eine Hütte, jedes ladet ein, zum Glase Milch. Ich habe mir aus Spaß meine selbst gemolken, daß hat gut geschmeckt. Ich stieg bis ich 2400 m hoch war, dann stand ich auf dem Sattel. Eine herrliche Aussicht, vor mir lag der Rosengarten in all seiner Pracht, die Gebirgsketten waren ganz klar zu sehen.
Dann kam ich zum Bergsee wie reizend und still er dalag.
[I]Kennst du den See zur Mittagsstund
Glasklar und wasserrein.
Komm, wirf den kleinsten Kieselstein,
Ihm in das grüne Herz hinein
Du siehst ihn bis zum Grund.
II.So ist mein Herz für dich bereit,
Glasklar und wasserrein.
Komm, schau getrost und tief hinein
Und was du siehst, ist dein, ist dein.||
Dann kam der Abstieg, wie ich die Hälfte hinter mir hatte, lag Meran vor mir, das schöne Meran. Und ich wiederholte ein Gedicht was ich auf Meran gemacht habe. Aber immer sagt es noch nicht gegnug [!]. Ich sende es Ihnen mit. Vieleicht macht es Ihnen eine kl. Freude. Erst habe ich Ihnen ein Gedicht senden wollen, aus Dankbarkeit für Ihre Güte, welches ich auf sie gemacht hatte. Aber meine Worte sind zu arm und reichen nicht aus, daß [!] zu sagen, was Sie mir, und den Menschen gegeben haben.
Nun wünsche ich Ihnen lieber Herr Haeckel vor allem, gesund sein. Läge es in meiner Macht, so möchte ich mein Leben für das Ihre einsetzen, damit Sie noch ein ganzes Menschenleben vor sich hätten. Aber sie geben uns noch viel und bleiben noch recht lange auf der schönen Welt. Ich grüße Sie innigst und herzlichst und bleibe immer Ihre ganz dankbare Frau
Margarete Bothe
[Beilage:]
Meran.
[1] Meran Du ohne Gleiche
Im weiten deutschen Land
Nur Du, in allen Reichen,
Trägst ew’ges Festgewand.
II.[!] Wie ist so süß zu schauen
Im Sonnengold Dein Bild
als einer deutschen Frauen
So hehr, so hold, so mild.
3. Des Nordens Kraft u. Treue
Des Südens Glanz u. Glut
In Deines Himmels Bläue
In Deiner Seele ruht.
4. Und kommt der Lenz gegangen,
Will er Dein Ritter sein
Und hüllt in Pracht und Prangen
Und Blütenduft Dich ein.||
5. Steckt Dir ins Haar die Sterne
Küßt Dir vom Haupt den Schnee
Und trägt in alle Ferne
Sehnsicht’ges Liebesweh.
6. Auch mich hast du bestricket
Du schöne Zauberin,
Entzücket u. Berücket
So lang ich lebend bin.
7. Und wonniges Verlangen
Zieht mich vom Nord zum Süd,
Allwo an Deinen Wangen
Mir ew’ge Jugend blüht!
Mag. Bothe.