Bose, Carl August Graf

Carl August Graf Bose an Ernst Haeckel, Baden-Baden, 10./11. Oktober 1884

Baden d. 10 October | 1884

Prorector Magnifice!

Vir illustrissime et amicissime!

Hochgeehrter Herr Professor und Hoherpriester der Natur!

Vor Allem erlauben Sie mir Ihnen meinen herzlichen Glückwunsch zu der ertheilten Würde zu sagen. Zugleich möchte ich aber auch meine Furcht aussprechen, daß solches Munus auch mit größeren Onera gepaart sein möchte. Könnte es Sie von der schlimmen Arbeit der Radiolarien erlösen, wäre damit freilich gewonnen, aber davon ist leider nicht die Rede. ||

Ich bin ganz beschämt über die Fülle von schönen Dingen, die sich aus Ihrer Kiste, die nun auch angekommen, entwickelt haben und danke Ihnen gerührt dafür, daß Sie bei Ihren vielen Geschäften so eingehend meiner gedachten. Meine Schwester ist auf einige Tage verreist und erhält erst später das Ihrige. Unsere Schicksale nach meinem letzten Brief aus Interlaken sind in Kurzem folgende. Wir blieben bis 10 September und ich hatte noch kürzlich den Genuß mit Herrn Gribi zusammenzukommen, dessen Bekanntschaft ich Ihnen auch verdanke. –

Wir gingen dann in Begleitung der Frau v. Schaer nach Vevey und blieben dort 8 Tage bei schönstem Wetter. || Es wäre uns beinahe dort ein Ende bereitet worden. Von einem Ausflug nach Bex zurückkehrend bestiegen wir am Sonntag in Villeneuve das Dampfboot Simplon und wurde dasselbe durch Nachlässigkeit des Capitäns in Montreux statt mit 250 Passagiren mit bis zu 500 überladen und gerieth beim Umschiffen des Vorgebirges bei La Tour so ins Schwanken, daß es zu kentern drohte, eine Panique entstand, von den Damen, nicht von meinen, Schreie ertönten und ein Jeder sich auf den Tod gefaßt machte. Es ging noch gut vorüber aber das Wasser war schon in die Luken des Salons eingedrungen. Wir, nämlich meine Schwester mit der Gesellschafterin und ich reisten dann über die schöne Turnbahn || über Basel hieher. Der Jahrestag in meinen gewohnten Räumen, wo ich nun allein übriggeblieben habe [!] wurde mir recht schwer zu tragen und die Zeit hat mir wenig Linderung gebracht. Dr Weinland fand ich unwohl vor und er hat noch fortwährend an Erkältung und rheumatischen Schmerzen zu leiden. Ihr schönes Geschenkbild ist für uns ein angenehmes Centrum von Beobachtungen und Reflexionen. Wie Schade, daß Sie nicht selbst uns in diese Schätze einweihen und dieselben commentiren können! So schön der Plan für die Riviera wäre, steht doch die Galeere dazwischen! –

Leben Sie wohl für heute und schonen Sie, wenn möglich Ihre Augen, experto crede Reperto!

Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung

Ihr

aufrichtig ergebener

Graf Bose

9 11 Oktober.a

Dr Weinland dankt herzlich für die Schriften.b

a Text weiter am oberen Rand von Seite 4, entgegengesetzt zur Schreibrichtung: Mit … 11 Oktober.; b Text weiter am linken Rand von Seite 4, quer zur Schreibrichtung: Dr … Schriften.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
11.10.1884
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6471
ID
6471