Bose, Carl August Graf

Carl August Graf Bose an Ernst Haeckel, San Remo, 24. März 1884

San Remo d. 24 März | 1884

Hochgeehrter Herr Professor!

Ihr so liebenswürdiges Schreiben nebst den gesendeten Broschüren habe ich erhalten u. sage Ihnen besten Dank dafür. Sehr freut es mich, daß Ihnen die Fischsendung aus Nizza willkommen war, doch bedauere ich anderseits, daß Villafranca so traurige Erinnerungen in Ihnen erweckt hat. Sie werden auch Ihrerseits im Stande sein zu ermessen, wie öde u theilnahmlos mein Leben sich gestaltet hat, nachdem ich über 38 Jahre fast ununterbrochen den Genuß der Aussprache u des geistigen Austausches mit meiner Frau hatte, mit der ich gleicher Richtung u Gesinnung in jeder Beziehung war. Muß ich ein solches [ ] dass das Geschick nur wenigen gewährt, auch mit [.] anerkennen, so ist das Aufhören desselben und das Alleinstehen im Alter um so härter und Philosophie u Resignationen können nicht darüber hinweghelfen. Es braucht kaltes ruhiges Nachdenken und gänzliche Objectivität, nun nicht Pessimist zu werden. –

Mit großem Interesse || habe ich Ihren Adams-Pik gelesen u wäre ich jünger u kräftiger, würde ich gern Ihren Spuren auf der schönen Insel folgen und die mannigfachen todten u lebendigen Naturprodukte mit Augen sehen. Wie die Sachen stehen muß ich mich schon mit der so vortrefflichen Schilderung begnügen. –

Aus Ihrer Geometrie der Radalarien [!] möchte für mich Laie der Schluß hervorgehen, daß es eine Brücke zwischen dem Anorganischen u Organischen, zwischen dem Mineralreich u den Protisten gäbe, die zu entdecken der Folgezeit aufbehalten sei und zu der Sie den Pfad eröffnet. – ?

Sehr danke ich Ihnen für Ihre freundliche Einladung nach Jena und würde gern von ihr Gebrauch machen, bin aber gar nicht dazu gestimmt, öffentlichen Feiern beizuwohnen, wie der Einweihung der beiden Institute. Ich bitte Sie deßwegen, hochgeehrter Herr Professor, wo möglich eine Einladung dazu verhindern zu wollen, die ich doch nicht annehmen könnte. Die Aussicht, später einmal nach Jena zu kommen und meine persönliche Bekanntschaft mit Ihnen zu erneuern, will ich nicht aufgeben, da sie mir zu angenehm ist. Jedenfalls schreibe ich Ihnen wieder nach meiner Rückkehr nach Baden, die kaum vor Anfang Mai erfolgen dürfte. – ||

Das anormale Wetter in Deutschland wird und kann nicht fortdauern. Hier an der Riviera ist ein steter Wechsel von warmen stillen Tagen und starkem Wind aus Osten oder Westen bei heißem Sonnenschein; am Morgen meist 10° Reaumur der ersehnte Regen will nicht kommen. Die Ernte der Oliven soll dieses Mal so reichlich sein, wie schon lange nicht und sieht man eine Masse am Boden liegen und vertrocknen. Die Vegetation ist noch nicht sehr vorgerückt, einzelne Feigenbäume schlagen aus und die Pfirsichbäume haben meistens abgeblüht, auch wird der Rasen grün, doch ist es im Ganzen nicht viel weiter als bei zeitigem Frühling in Deutschland. –

Leben Sie wohl, hochgeehrter Herr Professor, sobald ich zurück bin, schreibe ich Ihnen, auch in Bezug auf Ihr freundliches Anerbieten der arabischen Korallen.

Möchte dieser Brief Sie u die Ihrigen bei guter Gesundheit erreichen mit diesem Wunsche und der ausgezeichnetsten Hochachtung

verbleibe

Ihr

ergebener

Graf Bose

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
24.03.1884
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6463
ID
6463