Bose, Karl August Graf

Carl August Bose an Ernst Haeckel, Genua, 20. Januar 1884

Genua d. 20 Januar | 1884

Hochgeehrter Herr Professor!

Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen mir wieder zu schreiben u. von fern aus, der Cicerone für mich in dem schönen Genua zu werden. Leider kann ich davon nicht, wie ich gern möchte, Nutzen ziehen. Alter u. Gesundheit verbieten mir Gänge u. Bootfahrten bei Nordostwind, wie er hier meistens weht u. selbst das Museums des Gartens Negri, wage ich nicht zu besuchen. Dennoch hat die wundervolle hiesige Natur auf Fahrten nach Pegli, Villa Pallavicini, u. Nervi, die ich mit meiner || Schwester unternahm, mich zeitweise von meinen traurigen Gedanken abgezogen. Wir haben hier am Morgen 10–11° Reaumur u. Mittags mehr, aber der Contrast den südlichen Sonne u. Schattentemperatur ist bedeutend. Von Genüssen des Meeres, an dessen unmittelbare Nähe man hier so schwer gelangt, u. dessen Fauna, ist nicht die Rede, wie z. B. in Villafranca, wohin ich mit meiner Frau oft vor Jahren fuhr u. Firola, Carinaria, Eledone moschata u. a. beobachtete. Sehr interessant in den hiesigen Villen ist mir die exotische Flora, Cycas revoluta u. mehrere Palmenarten [ ] im Freien unbedeckt, so in Villa Rosarea. Das wird Ihnen aber Alles bekannt sein. Die Röthe am Abendhimmel ist hier jeden Abend sehr intensiv zu sehen. ||

Der Gotthard-Tunnel scheint hier in Genua ganz ungemein Handel u. Verkehr gesehen zu haben, nach dem, was man hört u. was man selbst auf den Straßen sieht u. begegnet. Dabei hat, wie es mir scheint, gegen 30 u. mehr Jahre zurück, ein Fortschritt von Gesittung im Betragen der niederen Volksclassen gegen einander, wie gegen die Thierwelt, Zugpferde u. s. w. stattgefunden u. man hört fast nie Zank u. Streit, wie früher oft. –

Aus Weimar hatte ich neulich ein gnädiges Handschreiben Sr. K. Hoheit des Großherzogs mit so wohlwollenden, ich darf sagen herzlichen Worten für meine verstorbene Frau u. für mich, daß sie mich tief gerührt haben. Ich habe sogleich mein Dankschreiben || im Einschluß in ein gleiches an S. Excellenz, d. Herrn Minister v. Stichling adressirt. Man hat das Meinige, obwohl frankirt, auf der Post, angeblich wegen dem Trennrand des Couverts, nicht eingeschrieben, aber doch angenommen. Sollten Sie unter der Hand erfahren können, ob mein Brief richtig eingetroffen ist, so würden Sie mich durch eine nur ganz kurze Notiz sehr verbinden. Wir reisen in den nächsten Tagen nach Florenz ab u. meine Adresse ist dort poste restante.

Mich Ihnen bestens empfehlend verbleibe ich mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr

ergebenster

Graf Bose

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
20.01.1884
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6460
ID
6460