Borngräber, Otto

Otto Borngräber an Ernst Haeckel, Stendal, 14. April 1900

Stendal, Jacobikirchhof 10, d. 14. Apr. 00

Hochgeehrter Herr Professor!

Hiermit erlaube ich mir, Ihnen meine herzl. Osterwünsche zu übersenden, sowie meinen Dank auszusprechen für die neuen Bemühungen, die Sie in Leipzig hatten. Meine stark beanspruchte Zeit hinderte mich bisher daran, ihn zu bekunden.

Gestern wurden mir von Weimar aus neue sehr günstige Nachrichten bez. Aufführung des „Bruno“. Weiser scheint übrigens nach dem, was er bisher verlauten ließ, keineswegs die dramatischen Bedenken || der Meininger Hoheiten zu teilen. Auch ein mitwirkender Leipziger Schauspieler schreibt mir gestern:

„Je öfter ich Bruno lese, desto herrlicher u. wunderbarer erscheint mir das Drama. Ein neues Deutschland liegt in dieser Sprache geborgen – eine neue Schule. – Das Drama hat mich gleichermaßen zum andern Menschen, mit heroischem Geiste gemacht. Wie groß wird der Erfolg sein, den Ihr Drama bei guter Aufführung hier erzielen wird!“

Unter so großen Ermutigungen sehe ich wieder freudig der Aufführung entgegen. – Aber ich glaube auch, daß meine umfangreichen Verbesserungen sehr viel genützt haben, und daß ich somit den herzogl. Hoheiten, || die den ersten Anstoß zu den Revolutionen gaben, zu größtem Dank verpflichtet bin. Leider muß ich bedauern, daß ich Ihnen das fertige Werk nicht als Ostermorgengabe mitsenden kann. Ich hoffte auch eine neue Auferstehung Brunos zu feiern, aber er wird wohl noch 14 Tage im Grabe der Presse schlummern müssen. –

Die Erlasse von Loofs scheinen mir übrigens keineswegs jenseit der Mauern des Halleschen Vatikans Anklang, wie er ihn hoffte, gefunden zu haben.

In der Hoffnung, daß Sie sich von Ihrer Reise erholt und die letzten Anfechtungen der Influenza überwunden haben – auch mir geht es jetzt leidlich gut – bin ich

Ihr

ganz ergebener

Otto Borngräber.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.04.1900
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6398
ID
6398