Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Bielefeld, 29. Mai 1919

Bielefeld, 29.5.1919

Sehr geehrter Herr Professor!

Von Montag bis gestern war ich in Berlin, einer Einladung des neuen Reichsamts für Ein- und Auswanderung Folge leistend, das mit mir verschiedene auf die Auswanderung sich beziehende Fragen besprechen wollte. Es sollen nun in mehreren Gegenden Deutschlands Zweigstellen des Reichsamtes eingerichtet werden. Das erste wird hier ins Leben treten und von mir verwaltet werden. Ich halte die ganze Arbeit für so wichtig, dass ich mich dem Reichsamt gern zur Verfügung gestellt habe. Nach meinen Vorschlägen sollen dann die weiteren Zweigstellen eingerichtet werden.

Meinen Aufenthalt in Berlin habe ich genutzt, um mit Herrn Ruckhaber die Herausgabe der „Neuen Weltanschauung“ zu besprechen. Wir sind nun zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zeitschrift vom Juli ab wieder erscheinen soll. Wir halten die Zeit für eine derartige unabhängige und nach allen Richtungen freie Zeitschrift für sehr geeignet. Wir können unseren alten Standpunkt beinhalten und brauchen uns in keiner Weise neu zu || orientieren, wir können unsere durch den Krieg unterbrochene Arbeit einfach wieder aufnehmen und hoffen auf entschiedenen Erfolg.

Nun haben Herr Ruckhaber und ich eine grosse und herzliche Bitte. Würden Sie nicht so freundlich sein und uns für die erste Nummer einen kleinen Artikel, vielleicht zwei Oktavdruckseiten lang, schreiben, in dem etwa die Notwendigkeit und Nützlichkeit einer solchen Zeitschrift gerade in unserer Zeit betont würde? In unserer Zeit, in der mehr denn jemals der alte Glaube, das Christentum, die alte dualistische Philosophie so kläglichen Schiffbruch erlitten haben. Es würde uns sehr viel daran liegen, gerade im ersten neuen Heft einen solchen kleinen Beitrag von Ihnen zu haben, um keinen Zweifel daran zu lassen, dass die neue Zeitschrift auch ferner Ihrer Fahne folgen wird.

Es liegt mir ganz fern, Ihnen irgend eine Arbeit zu machen, aber einen solch kleinen Beitrag aus Ihrer Feder halte ich im Interesse der Sache für ausserordentlich nützlich und bitte Sie auch persönlich recht herzlich darum. Es brauchen, wie gesagt, nur wenige Zeilen zu sein, Ihr Name im ersten Heft soll gewissermassen als || eine Art Programm wirken. Da ich das Manuskript zum ersten Heft schon bald zusammen stellen muss, so wäre es mir wertvoll von Ihnen kurz zu hören, ob ich auf den kleinen Beitrag rechnen kann und bis wann etwa.

Ich hoffe, das wunderbare Frühlingswetter wird Ihnen öfter Veranlassung geben, nach Burgau oder ins Mühltal zu fahren. Mit grossem Vergnügen denke ich an den schönen Ausflug nach Burgau im vorigen Sommer.

Mit herzlichen Grüssen in alter Treue

Ihr dankbarer Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
29.05.1919
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6201
ID
6201