Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 1. September 1914

Brackwede, am Sedantag 1914

Sehr geehrter Herr Professor!

In den Zeitungen lese ich, Sie hätten mit Prof. Eucken zusammen einen Protest gegen Englands Infamie veröffentlicht und auf alle Ihre englischen Medaillen und Ehren verzichtet. Können Sie mir nicht die beiden Veröffentlichungen zugänglich machen? Ihr Vorgehen ist grossartig und bewundernswert und freut mich aus tiefster Seele. Es reiht sich würdig dem des Kaisers und anderer Männer an, die auf ihre englischen Orden und Titel verzichtet haben. Wie niederträchtig die englischen Politiker gegen uns handeln, haben die jüngsten Ereignisse ja zur Genüge gezeigt, aber unsere brave Armee hat den Herren Vettern auch schon gezeigt, dass man nicht ungestraft Deutschland herausfordert und angreift. Die Niederlage des englischen Expeditionsheeres und seine wahrscheinliche Vernichtung wird das englische Volk hoffentlich etwas ernüchtern und zum Nachdenken bringen. Vier Wochen sind kaum vergangen seit der Mobilmachung des deutschen Heeres und schon liegt Belgien am Boden, deutsche Truppen nähern sich der französischen Hauptstadt, Englands stolzes Heer hat sich die ersten blutigen Köpfe geholt und ein ganzes russisches Heer ist in deutscher Gefangenschaft. Solche Erfolge hätten wir Anfang August nicht zu träumen gewagt. Welche Schwungkraft in unseren Truppen, welche Begeisterung und Hingabe! Nie sah die Welt ein grösseres Schauspiel, nie ist Deutschland grösser gewesen als in diesen Tagen. Nie war England, dieses England, das wir alle geliebt haben wegen seiner hohen Verdienste für die Wissenschaft, kleiner und verachtenswerter als jetzt, wo es sich mit allen Feinden Deutschlands, selbst mit Mongolen und Afrikanern, verbündet gegen das Volk, an dessen Seite es in diesem schändlichsten aller Kriege hätte treten müssen. || Seine Führer aber waren und sind verblendet und Deutschland wird ihnen ein Erwachen bereiten, an das sie jahrhundertelang denken sollen. Wie kann ein Volk, das doch zu den ersten Kulturvölkern der Erde gerechnet werden will, so alles Völkerrecht mit Füssen treten, wie kann es so niederträchtig handeln? Was sagt das gebildete England, das durch so zahlreiche Fäden mit uns verbunden ist, zu dem brutalen Vorgehen seiner Regierung? Müsste nicht ein Sturm des Unwillens vornemlich durch die akademischen Kreise Englands brausen, empört sich denn nicht das germanische Blut in ihnen? Es ist nicht auszudenken, welche unabsehbaren Folgen dieser Krieg der grössten Kulturvölker unter sich für den Bestand der Kultur haben wird.

Mit Frankreich werden wir allem Anschein nach bald fertig sein, Russland werden wir überwältigen oder doch zu Boden drücken, so dass es nicht mehr wagt uns anzugreifen. Dann aber, wenn diese beiden Gegner abgetan sind, dann werden wir mit England furchtbare Abrechnung halten und das stolze Albion soll sehen, dass seine Söldnerheere vor dem Anprall unseres Volksheeres wie Spreu vor dem Winde wehen. Ich habe in diesen Tagen englische Gefangene in unserem benachbarten Sennelager gesehen, in Gesellschaft von Belgiern, Franzosen und Zuaven, eine nette Gesellschaft, deren sich jeder anständige Engländer schämen muss. Es fehlen hier im Westen nur noch Russen, aber die werden wir wohl auch bald hier haben, dann ist die ganze Räuberbande zusammen. Sie alle werden den Lohn für ihre Niedertracht erhalten und erkennen, was es heisst, Deutschland anzugreifen und zum Verräter an der Kultur zu werden.

Wie Sie es getan haben, so sollten alle deutschen Gelehrten und Künstler ihre Beziehungen zu England abbrechen, denn es ist für uns keine Ehre mehr, solche zu pflegen, so gern und freudig wir das bisher getan haben. ||

Auch ich bin immer ein warmer Freund Englands gewesen und habe nie ein Hehl daraus gemacht, wie fast jedes Heft meiner Zeitschrift beweist. Jetzt und in Zukunft müssen wir zeigen, dass wir Englands nicht mehr bedürfen, dass die deutsche Wissenschaft auch ohne die englische bestehen und sich weiter entwickeln kann. Ich hoffe von Herzen, dass Ihr Beispiel recht viele Nachahmer finden wird. Das England Shakespeares, Newtons, Lockes, Darwins, Huxleys gehört der Vergangenheit an, mit dem England von heute wollen wir nichts mehr zu tun haben, es ist zum Handlanger von Halbbarbaren geworden und im Begriff, die ersten zum Abgrund führenden Stufen herabzusteigen. Der deutsche Adler aber soll aufwärts fliegen und das Dichterwort wird Wahrheit werden:

Und es soll an deutschem Wesen

Einmal noch die Welt genesen!

Heute ist das höchste Glück eines Mannes, ein Deutscher zu sein. Wohl uns, dass wir es sind und dass wir diese gewaltige Zeit erleben dürfen. Aus unserer Familie sind sieben junge Männer im Felde, einige von ihnen haben schon wiederholt im Feuer gestanden. Wir alle sind stolz auf diese Jugend, die ihre Pflicht freudig und begeistert erfüllt. Alle unsere Gedanken gehören heute Deutschland und seiner Zukunft.

Mit deutschem Gruss

Ihr allezeit getreuer

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
01.09.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6159
ID
6159