Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 15. Juli 1906

DR. W. BREITENBACH

BUCHDRUCKEREI UND VERLAG.

BRACKWEDER ZEITUNG.

BRACKWEDE, 15. Juli 1906

Sehr geehrter Herr Professor,

Herr Prof. Schwalbe hat mir vor einigen Tagen seine neueste Schrift: ‚Zur Frage der Abstammung des Menschen’ geschickt, in der er hauptsächlich gegen Kollmann polemisirt. Zugleich erhielt ich einen längeren Brief von ihm, in dem er ausdrücklich betont, dass zur Beurteilung dieser ganzen Frage der Abstammung immer noch Ihre Auffassung die richtigste sei. Diese entschiedene Anerkennung Ihrer Forschungen seitens eines so exacten und klar denkenden Anatomen, wie es Schwalbe ohne Zweifel ist, hat mich ausserordentlich gefreut und ich wollte Ihnen davon doch Mitteilung machen, weil Sie ja in den Kreisen der engeren Fachgenossen leider noch immer viele Gegner haben. Schwalbe erwirbt sich durch seine mühsamen Untersuchungen ein grosses Verdienst um die Abstammungslehre. ||

Er schrieb mir ferner, dass er wahrscheinlich in einiger Zeit wieder einmal eine zusammenfassende Schrift über die ganze Angelegenheit herausgeben werde. Ich bin dabei, für den Winter einen Vortrag über Abstammung des Menschen vorzubereiten, zunächst für die naturwissenschaftlichen Vereine in Krefeld und Köln. Vielleicht kann ich den Vortrag auch für uns brauchen. Ich möchte zur Ausarbeitung des Vortrages gern einige neuere Bücher zu der Frage einsehen. Haben Sie nicht einiges, was Sie mir einige Wochen leihen können? Ich besitze selbst z. B. Klaatsch, Alsberg etc. Herr Prof. Schwalbe macht mich auf Stratz aufmerksam und meint, es würde gut sein, dessen phantastische Ansichten zu kritisiren.

Haben Sie die Bücher vielleicht?

Die Blätter unseres Bundes führen sich gut ein, ich erhalte jeden Tag Bestellungen und Anfragen von Privaten und Buchhändlern. Auch haben viele Zeitungen Notiz von dem Erscheinen genommen und das erklärt wohl die Anfragen in erster Linie. Die Ver-||sendung von Recensionsexemplaren müssen wir daher unbedingt noch längere Zeit fortsetzen und ganz aufgeben niemals.

Dr. Siebert scheint mit unserer neulichen Besprechung nicht zufrieden zu sein. Ich nehme aber derartige kleine Meinungsverschiedenheiten nicht tragisch, denn bei einer neuen Bewegung und unfertigen Organisation werden sie nicht ausbleiben können. Mit etwas gutem Willen werden wir sie im September schon beseitigen. Vor allen Dingen wird es jetzt nötig sein die „Blätter“ regelmässig, pünktlich, erscheinen zu lassen und bald auch mit den Flugschriften heraus zu kommen.

Persönlich arbeite ich an unserer Sache mit Freude und Hingebung, sie zeigt uns ein grosses Ziel und interessante Probleme.

Mit freundlichem Gruss bin ich wie immer

Ihr ergebenster dankbarer Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
15.07.1906
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 6019
ID
6019