WILH. BREITENBACH
DR. PHIL.
ODENKIRCHEN, 25. Sept. 1893
Sehr geehrter Herr Professor!
In der Jenaischen Zeitung habe ich soeben den Bericht über die Gerichtsverhandlung über Ihren Prozeß mit Hamann gelesen. Es thut mir unendlich leid, daß wir bei uns in Deutschland zu solchen ungeheuerlichen Auswüchsen im wissenschaftlichen Leben gekommen sind. Wohin soll es kommen, wenn jedes scharfe Wort, welches in einem wissenschaftlichen oder künstlerischen Streite fällt, || gleich zu einem Beleidigungs-Prozeß führt?
Wie erbärmlich sich Hamann in dieser ganzen Sache, sowol als Gelehrter wie als Mensch benommen hat, das wird wol von allen Menschen mit halbwegs normalem Gehirn anerkannt werden. Für so jämmerlich und gemein hätte ich ihn doch nicht gehalten wie er sich nach dem Bericht der Jenaischen Zeitung benommen hat.
Ein ausführlicher Bericht über die Verhandlung würde wol weite Kreise interessiren. Ich selbst wäre mit dem größten Vergnügen bereit denselben zu drucken und zu || verbreiten. Ein großer Absatz ist wol gewiß zu erwarten.
Über den materiellen Theil des Urtheils enthalte ich mich jeden Urtheils: ich habe selbst schon eine sonderbare Erfahrung hinsichtlich der sogenannten Rechtsprechung in Deutschland gemacht. Weil ich das von meiner Gemeinde-Vertretung beschlossene Abschlagen einer schönen Allee alter Lindenbäume einen „ Act des Vandalismus“ nannte, wurde ich wegen Beleidigung ehrenwerther Gemeinderäthe mit 10 M. bestraft.
Wenn Sie auch, hochverehrter Herr Professor, juristisch unterlegen sind, so ist doch Hamann durch || diesen Prozeß ein in der wissenschaftlichen Welt unmöglicher, ja toter Mann geworden. Mir ist es ein Herzensbedürfniß, Ihnen meine Theilnahme an dieser unerquicklichen Angelegenheit auszusprechen.
Nach wie vor bin ich mit freundlichem Gruß
Ihr hochachtungsvoll ergebenster dankbarer Schüler
Dr. W. Breitenbach