Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Odenkirchen, 9. März 1892
WILH. BREITENBACH
DR. PHIL.
ODENKIRCHEN, 9. März 92
Sehr geehrter Herr Professor!
Ihren Report on the Siphonophorae, die Tiefseemedusen und den Report on the Deep Sea Keratosa habe ich noch immer nicht zurückgesandt. Würden Sie mir gestatten, die Werke noch kurze Zeit hier zu behalten? Zum Gebrauch bei Vorträgen zeichne ich einige Tafeln aus dem Siphonophoren-Werk sowie einige der Medusen. || In Brasilien ist außer Fritz Müller nun ja auch H. v. Ihering aus seiner Stellung entlaßen worden, ebenso las ich von der Entlaßung Dr. Göldis. Ich kann mir nicht denken, daß Ladislav Netto diese Entlaßungen gutgeheissen hat. Für Ihering ist diese Entlaßung ein sehr harter Schlag.
Kürzlich besuchte ich in Elberfeld Dr. Duisberg, der mir u. a. von Ihrer famosen neuen Gattung Zetlitztrüschleria || auf dem Stiftungsfest des Naturw. Vereins erzählte. Sie können sich denken, welchen riesigen Spaß mir die Sache gemacht hat. Unter dem neuen Curs wird es in Deutschland wirklich immer netter: Was kann bei solcher Regierung aus dem Volk der Denker & Dichter noch werden! Vielleicht werden bald confessionelle Naturforscher die akademischen Lehrstühle einnehmen und ihre zoologische Forschungen nur auf Grundlage des Buches der Bücher anstellen dürfen. Wenn der Archaeopteryx || nach Herrn v. Z. T. keine Mark werth ist, was müßen dann die andern Urkunden der Stammesgeschichte gelten! Der deutsche Michel hat sich seine berühmte Schlafmütze wieder einmal tief über die Ohren gezogen. Er muß wirklich großartig gutmüthig oder dumm sein, wenn er sich das neue Schulgesetz gefallen läßt. Hoffentlich sind die Schwarzen doch noch nicht ganz oben.
Mit freundlichem Gruß bin ich wie stets
Ihr ganz ergebenster und dankbarer Schüler
Dr. W. Breitenbach