Gruyter, Walter de

Walter de Gruyter an Ernst Haeckel, Berlin, 6. Februar 1906

DR. WALTER DE GRUYTER

IN FIRMA GEORG REIMER

BERLIN W. 35, LÜTZOWSTR. 107–

8, 6. Februar 1906.

Hochzuverehrender Herr Professor!

Aus Ihrem so geistvollen jüngsten Brief las ich mit dem Schmerz der Zuneigung, daß Ihre Genesung und Wiedererstarkung in den letzten Wochen böse unterbrochen worden ist. Wenn starke, echte Wünsche Zielkraft hätten, so würden die meinigen hinreichen, Ernst Haeckel bald wieder in perfecter Rüstigkeit zu sehen. So hoff ich’s innig.

Der Gründung des Monistenbundes bin ich vom Tag seiner Geburt an mit einem starken Zuge der Jugend gefolgt, danke nun Ihrer freundlichen Hand das ausführliche Material und die Einladung zum Eintritt, und schwanke dennoch einzutreten. Daß äußere Bedenken und Rücksichten mich nicht zurückhalten, brauche ich als längst erklärter Dissident nicht zu bekräftigen. Auch bin ich Pantheist. Nur das „Universum des Innern“ erschließt sich mir nach der ethischen Seite hin nicht rein intellektuell und sociologisch; „das moralische Gesetz in mir“ ist mir noch ein geheiligtes Stück meiner Weltanschauung; || und von der „Freiheit des Willens“ vermag ich nicht zu lassen.

Mit solchen Vorbehalten aber Glied Ihres Bundes zu werden, schlösse wol eine Unwahrheit gegen den Bund und gegen mich ein. Ich würde nicht reinen Herzens über Ihre Schwelle eingehen und bin sicher, in dieser Auffassung von Ihnen verstanden zu werden.

In Treue u. Verehrung

Ihr Walter de Gruyter

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
06.02.1906
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 54666
ID
54666