Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Heinrich Eggeling, Jena, 22. Februar 1898

Abschrift. 448. pr. 25.II.98.

Jena, den 22. Februar 1898.

Hochgeehrter Herr Curator!

Beifolgend beehre ich mich, Ihnen die Jahresberichte über das Zoologische Museum und das Zoologische Institut für 1897 zu überreichen, sowie den Bericht über die Verwendung der Erträge der Ritter-Stiftung für 1898. In diesem letzteren findet sich unter II. E ein Antrag auf Subvention von 3000 Mk für ein Tafelwerk, welches ich unter dem Titel:

Kunstformen der Natur

demnächst herauszugeben beabsichtige. Da die Frage dieser Subvention vielleicht auch in den Berichten der nächstfolgenden Jahre wiederkehren wird, halte ich es zur Motivirung derselben für angemessen, darüber folgenden besonderen Bericht abzustatten:

Während der ausgedehnten Untersuchungen, welche ich seit 40 Jahren (seit 1858) über Morphologie und Entwicklungsgeschichte niederer Thiere (Radiolarien, Spongien, Medusen, Siphonophoren etc.) angestellt habe, wurde || ich mit einer großen Anzahl von neuen, schönen und merkwürdigen Lebensformen bekannt. Mehrere tausend Arten derselben habe ich auf mehr als vierhundert Tafeln abgebildet, welche meine Monographien und Challenger-Reports begleiten. Da diese theuren Werke aber nur sehr geringe Verbreitung gefunden haben, wurde mir mündlich und schriftlich oft wiederholt der Wunsch ausgesprochen, ich möchte eine Auswahl der schönsten und interessantesten Formen auf einzelnen Tafeln zusammenstellen und durch Herausgabe in einem billigen Lieferungs-Werke einem größeren Publicum (namentlich auch mit Rücksicht auf aesthetische Zwecke) zugänglich machen; die moderne bildende Kunst wird daran sicher großes Interesse nehmen.

Die künstlerische und technische Ausführung dieses lange gehegten Planes hat nun endlich begonnen. Eine der größten deutschen Verlagsbuchhandlungen, das Bibliographische Institut in Leipzig, hat sich bereit erklärt, eine Anzahl solcher Tafeln || (von kurzem erläuternden Text begleitet) zu publiciren und zwar in einzelnen Heften (zu je 10 Tafeln). Wie ich selbst für diese Arbeit auf jedes Honorar verzichtet habe, so beansprucht auch diese Verlags-Handlung dabei keinen materiellen Gewinn. Denn die Ausführung der Tafeln selbst (in der angestrebten besten Qualität) ist schon an sich sehr kostspielig. Die Herstellung der einfachen (einfarbigen) Tafel wird etwa 200 Mk kosten, bei 3–4 Farben etwa 600–800 Mk, bei 10–12 Farben 1000–1200 Mk. Da der Preis aber möglichst billig gestellt werden soll, in Hinsicht auf die angestrebte weite Verbreitung dieses wissenschaftlich-künstlerischen Bildungsmittels, ist das Unternehmen ohne bedeutende Subventionen unausführbar.

Zur Subvention der beiden ersten Hefte (20 Tafeln), welche noch in diesem Jahre erscheinen werden, habe ich zunächst die 6000 Mk bestimmt, welche von der 1894 von meinen Schülern und Freunden zur Feier meines 60sten Geburtstages gesammelten Summe übrig waren. Außerdem will || ich dazu die 3000 Mk verwenden, welche ich in meinem heutigen Berichte unter II. E beantragt habe. Herr Dr. Paul von Ritter, der sich seit vielen Jahren für dieses Unternehmen lebhaft interessiert, hat nicht nur diesen Antrag gebilligt, sondern auch weiterhin neue materielle Unterstützungen in Aussicht gestellt. Sicherlich werden auch die Durchlauchtigsten Erhalter der Universität, die ebenso Förderer der schönen Künste, wie der Wissenschaften sind, diesem Beide verbindenden Unternehmen ihre Billigung nicht versagen. Außerdem wird auch das Werk (für das zunächst 100 Tafeln in Aussicht genommen sind), als Tausch-Object für die Bibliothek des Zoologischen Instituts sehr werthvoll sein.

In vorzüglicher Verehrung

Ihr

ganz ergebener

Professor Dr. Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
22.02.1898
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
LATh-STA Gotha
Signatur
Staatsministerium, Dep. I, Loc. 6 o, Nr. 20, Bd. 2, Bl. 20r–21v
ID
53704