Richard Greeff an Ernst Haeckel, Bonn, 23. Juli 1866
Bonn den 23. Juli 1866
Lieber Herr Professor!
Das Semester naht seinem Ende und wie es den tröstlichen Anschein hat auch der Krieg und da tritt denn von Neuem die fast ganz zurückgedrängte Frage bei mir hervor, ob ich mich noch während der Herbstferien zu einer zoologischen Reise entschliessen soll. Am liebsten möchte ich natürlich wieder in Ihrer angenehmen Gesellschaft reisen falls Sie in Bezug auf mich nicht anderer Meinung sind und Sie überhaupt noch vor haben eine Tour zu machen. Ich bitte deßhalb freundlichst mir mit ein paar Worten zu schreiben ob und wohin Sie zu gehen gedenken. Für eine Abwesenheit auf längere Zeit resp. für den ganzen Winter würde ich mich unter den augenblicklichen Verhältnissen || nicht entschließen können, ich denke sogar häufig bloß an eine kleine Tour an die Nordsee oder den Kanal, wo besonders an der französischen Küste sich sicher viel Material bietet, wie ich bei meinem kleinen Ausflug nach Dieppe im verflossenen Winter gesehen habe. Wollte man sogar noch weiter nach St. Malo od. la Hague gehen so würde man sicher reiche Fundgruben haben, vielleicht auf für Sie, da an den felsigen Küsten auch die Polypen-Fauna gut vertreten sein möchte. Ausserdem vereinigt sich hier die Fauna des atlantischen- und Nord-Meeres. Vielleicht haben Sie indessen schon einen festen Plan gefasst und bitte ich deßhalb nochmals mir ein paar Worte darüber zukommen zu lassen. Unser armer Freund Pietro wurde hier || mitten in seiner wissenschaftlichen Laufbahn von der Nachricht über diea traurige Schlacht bei Custozza überrascht und entschloss sich in Folge dessen sofort seinem bedrängten Vaterlande zu Hülfe zu eilen nachdem er allerdings vorher schon eine Aufforderung dazu erhalten. Er war am Tage seiner Abreise Mittags noch bei uns und war sehr niedergeschlagen b daß ich ihn recht bedauerte; nachher reiste er aber doch mit neuem Muth ab. Ob er später seine wissenschaftliche Weltumsegelung fortsetzen wird schien mindestens zweifelhaft zu sein. Vorläufig bringt er wenigstens einen reichen Schatz von – mikroskopischen Präparaten über Entozoen u. drgl. mit nach Hause; Im Uebrigen scheinen indessen seine Taschen ziemlich leer geblieben zu sein. Auch im Deutschen hatte er trotz eifrigen Bemühens nur sehr mäßige Fortschritte gemacht. Wie geht es Dr. Dohrn, ich habe || oft daran gedacht ob er wohl mit ins Feld gemußt hat. Ich bin auch nur eben an einer Einberufung (als Assistenz-Arzt) vorbei gekommen; möglicherweise kann indessen noch immer die Reihe an mich kommen für den Fall man hier und in Cöln, wie beabsichtigt wird, Lazarethe für Verwundete errichten will. Für heute bitte ich mit diesen eiligen Zeilen vorlieb zu nehmen.
Unter herzlichen Grüßen Ihr freundschaftlichst
ergebener
Richard Greeff
Bitte auch Dr. Dohrn u. Prof. Schleicher bestens zu grüßen.
a eingef.: Nachricht über die; b gestr.: fühl