Karl Ritter von Stremayr, Minister für Kultus und Unterricht des Kaiserreichs Österreich, an Ernst Haeckel, Wien, 19. Dezember 1870
Euer Wolgeboren!
An der Universität zu Wien ist durch den Tod des Professor Kner eine der Lehrkanzeln für Zoologie in Erledigung gekommen.
In Beziehung auf ihre Wiederbesetzung hat das Professoren-Collegium der filosofischen Fakultät und habe auch ich das Augenmerk auf Eure Wolgeboren gerichtet. Denn ich erkenne es als dringend geboten, daß das erwähnte, für Wien besonders wichtige Lehramt durch eine Persönlichkeit vertreten werde, welche volle Bürgschaft für einen in jeder Beziehung ersprießliches Wirken bietet.
Gestützt auf die mir gewordene vertrauliche Mitteilung, daß Eure Wolgeboren nicht abgeneigt sein dürften, einem an Sie ergehenden Rufe an die Universität in Wien zu folgen, gebe ich mir die Ehre, an Eure Wolgeboren hiemit die Anfrage zu richten, unter welchen Bedingungen Sie bereit wären, das in Rede stehende Lehramt an der Universität in Wien zu übernehmen.
Was die sistemmäßigen Bezüge der ordentlichen Universitäts-Professoren, ihren Rang, Pensionsanspruch u. s. w. betrifft, erlaube ich mir auf die aus den beigeschlossenen Druckblättern zu entnehmenden Gesetze vom 9. April || dieses Jahres und die kaiserliche Verordnung vom 9. Dezember 1866 Reichsgesetzblatt 97°157 zu verweisen, hiebei jedoch insbesondere die Aufmerksamkeit Eurer Wolgeboren auf den §. 3 des Gesetzes, betreffend die Gehalte der Professoren zu lenken, nach welchem einzelnen Professoren auch höhere als die sistemmäßigen Bezüge und die anderen Begünstigungen zugewendet werden können.
Es erübrigt mir nur noch Eure Wolgeboren zu ersuchen, sich in der geschätzten Erwiderung, der ich entgegensehe, in allen die berührte Angelegenheit betreffen Fragen ohne Rückhalt auszusprechen und überzeugt zu sein, daß ich diese Eröffnungen als vertrauliche ansehen und behandeln werde.
Ihr
ergebener
Stremayr
Wien den 19. Dezember 1870.