Ernst Haeckel an Ludwig Plate, Jena, 21. August 1909
Jena 21. August 1909.
Prof. Haeckel an Prof. Plate
Hochgeehrter Herr Professor!
In Erwiderung Ihrer heute erhaltenen Zuschrift erkläre ich mich bereit, nächsten Montag (23.8.) Vormittags 10 Uhr in das Zoologische Institut zu kommen, um die letzten Fragen betreffs die Zoologische Bibliothek endgültig zu regeln und Ihnen den letzten Rest meiner Sammlungen zu übergeben, welche in den beiden kleinen oberen Schränken an der Nordwand des Zoologischen Laboratoriums sich befinden.
Was die zahlreichen Bücher betrifft, welche ich im Laufe von 20 Jahren aus den Mitteln der „Ritter-Stiftung“ angeschafft habe, und von denen Sie einen großen Teil in der Zoologischen Bibliothek vermissen, so ist darüber Folgendes zu bemerken. ||
Die Bücher, welche ordnungsmäßig katalogisirt wurden, sind sämmtlich an die Bibliothek des Zoologischen Instituts zurückgegeben, mit Ausnahme von 2 oder 3 Bänden, die noch ausgeliehen zu sein scheinen.
Die Bücher und Broschüren, welche nicht katalogisirt sind, wurden, – wie ich Ihnen schon früher schriftlich und mündlich mitteilte, im Interesse des Zoologischen Instituts verwendet:
A. zu dem sehr ausgedehnten Tauschverkehr – B. zu Geschenken für die Förderer des Zoologischen Instituts und des Phyletischen Museums. Ein kleiner Teil derselben (C.) befindet sich noch zur Zeit im Phyletischen Museum und soll unmittelbar nach dessen bevorstehender Ordnung an Sie zurückgegeben werden. Besonders zu bemerken ist, daß die nicht katalogisirten Bücher zuma weitaus größten Teil nicht b zoologischen, sondern philosophischen und vermischten naturwissenschaftlichen Inhalts sind. Es wird daher zweckmäßiger sein, sie an die Universitäts Bibliothek als an das Zoologische Institut abzuliefern.c Die größeren Hälfte von diesen zahlreichen (– nach Ihrer Zählung 225) vermißten Schriften sind nicht || gebundene Bücher, sondern ungebundene Broschüren (circa 130); von diesen haben etwad 60 (– à 1–2 Mk) zusammen im Durchschnitt e einen Wert von 90 Mk, 70 (in Wert von 3–6 Mk) zusammen etwa 300 Mk.
Spezielle Rechenschaft über meine Verwendung dieser 225 Schriften Ihnen abzulegen, bin ich (– wie schon früher mitgeteilt –) weder verpflichtet noch geneigt. Sie sind überhaupt nicht berechtigt, irgend eine meiner zahlreichen Amtshandlungen, die ich während des Zeitraums von 48 Jahren in dieser Universität Jena ausgeübt habe, einer peinlichen Untersuchung zu unterziehen und mich persönlich deßhalb zur Verantwortung aufzufordern. Wenn Sie glauben, daß ich meine Pflichten verletzt und Gelder unrechtmäßig verwendet habe, so steht es bei Ihnen, dieses unserer vorgesetzten Behörde (dem Herrn Kurator oder dem Großherzoglichen Ministerium) anzuzeigen und eine Disziplinar-Untersuchung gegen mich zu beantragen. Diesen Behörden allein bin ich Rechenschaft schuldig. ||
Alle Kollegen, Instituts-Direktoren und Juristen, die ich deßhalbf befragen mußte, bestätigten einstimmig meine Auffassung, daß der Amtsnachfolger niemalsg berechtigt ist, von seinem Vorgänger Rechenschaft über seine früheren Amtsführung persönlichh zu verlangen. Ich muß daher auch jetzt ihren Antrag ablehnen, daß Sie bezüglich der vermißten Bücher Haussuchung in meiner Wohnung und im Phyletischen Archiv halten. Ebenso waren Sie nicht berechtigt, i die Instituts-Rechnung der letzten 20 Jahre einzufordern, und zu revidiren.
Durch die Verhandlungen, welche am 21. Juli in Gegenwart des Herrn Kurators zwischen uns stattfanden, habe ich unsere bedauerlichen Differenzen für erledigt gehalten.j Da meine Gesundheit durch die fortgesetzten Anklagen und Vexationen der letzten 4 Wochen sehr gelitten hat und da ich für den kurzen Rest meiner Lebenszeit dringend der Ruhe bedarf, muß ich Sie nochmals bestimmtk ersuchen, mich mit weiteren Beschwerden zu verschonen und etwaige neue Anklagen gegen mich l an unsere vorgesetzte Behörde, an den Herrn Kurator oder das Großherzogliche Staats Ministerium, gelangen zu lassen.
Hochachtungsvoll
Ernst Haeckel
a gestr.: zum; eingef.: zum weitaus; b gestr.: philosophisch sondern; c eingef.: Es wird … Zoologische Institut abzuliefern.; d eingef.: etwa; e gestr.: etwa; f eingef.: deßhalb; g gestr.: nicht; eingef.: niemals; h eingef.: persönlich; i gestr.: in meiner Abwesenheit sich einen Schlüssel zu dem mir vorbehaltenen Phyl. Archiv machen zu lassen,; j eingef.: in Gegenwart … erledigt gehalten.; k gestr.: dringend; eingef.: bestimmt; l gestr.: direkt