Haeckel, Carl Gottlob; Haeckel, Charlotte

Carl Gottlob Haeckel an Ernst Haeckel, Berlin, 13. Oktober 1866

13 Octob. 66

Mein lieber Ernst!

Ich wünsche Dir zu deiner bevorstehenden Reise alles Gute. Nach meinen Notizen aus Humboldt’s Reise in die Aequinoctial-Gegenden vom Jahr 1797 fuhr Humboldt von der spanischen Küste nach den Kanarien. Die Strömung zwischen der afrikanischen Küste und dem Meer der Antillen führte ihn nach den Kanarischen Inseln und er gelangte in einen Strich, wo das Meer mit einer ungeheuern Menge Medusen bedekt war. Zwischen Madera und der Afrikanischen Küste sahen sie eine ungeheure Menge Sternschnuppen, die jeden Augenblik niedergingen. In der Stadt Orotava trafen die Reisenden große Schwärme von Kanarien Vögeln. Sie waren gleichförmig grün, einige auf dem Rüken gelblicht. Der Vogel der kanarischen Inseln, der von allen den schönsten Gesang hat, ist in Europa unbekannt. Die Stadt Santa Cruz auf Teneriffa hat 8000 Einwohner. Die Reisenden stiegen auf den Pic und kamen unterweges in die Stadt Laguna, die schon kühler liegt und für die Canarier ein trefflicher Aufenthaltsort ist. Auf dem Pic angelangt fanden sie einen Kamm, der wie eine Brustwehr den Krater umgiebt, aber eine Lüke offen läßt, durch welche man auf den Boden des Trichters niedersteigen kann. Vor Aristoteles hatten die griechischen Geographen kaum genaure Kenntniß von den kanarischen Inseln, und die Karthager fanden ihren Vortheil darinn, diese entlegenen Landstriche in den Schleier des Geheimnißes zu hüllen. Die Römer wurden erst 80 Jahr vor Oktavian mit den kanarischen Inseln bekannt. Dieses sind meine Notizen aus Humboldt’s Reisebeschreibung.

Ich bin sehr begierig, was London für einen Eindruk || auf Dich machen wird. Von dort bis auf die kanarischen Inseln ist es nur eine Spazierfahrt. Als Leopold v. Buch, der ebenfalls dort gewesen war, noch lebte, wollte er die Fahrt nach den Canarischen Inseln für gar keine Reise gelten laßen. Er hatte die Inseln ebenfalls sehr schön gefunden. –

Nun schreibe ja recht fleißig, mein lieber Ernst, Du machst uns damit eine große Freude. Was [haben] wir, die Mutter und ich, beßeres als unsre Kinder. Du magst Dich nun auf der Reise recht erholen. Wird es bis zum Winter anders in Siclien, so kannst Du ja immer noch auf einige Zeit hingehen. Das würde ich Dir sehr verdenken.a

Dein Dich liebender Vater

Haeckel

a mit Einfügungszeichen von Charlotte Haeckel eingef.: Das würde ich Dir sehr verdenken.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
13.10.1866
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 48224
ID
48224