Otto Juliusburger an Ernst Haeckel, Steglitz, 16. Februar 1916
Ernst Haeckel zum 16. Februar 1916 mit guten Wünschen in herzlicher Verehrung wahr ergeben
Otto Juliusburger, Steglitz ||
I.
Ewigkeit.
Schicksalstunde hat geschlagen
Und im Sturme rast die Zeit
Wie zu Urwelts Schöpfungstagen
In der Elemente Streit.
Aus gequälten Menschenherzen
Banges Stöhnen schwer entsteigt
Und aus Not und Qual und Schmerzen
Todesmatt manch’ Haupt sich neigt.
Aus des Chaos wildem Drängen
Kehrt die Ordnung einst zurück?
Aus des Hasses Kampfgesängen
Blüht der Erde reines Glück? –
Doch aus Dunst und Nebel steigen
Wird der Sonne goldnes Licht
Und der armen Menschheit zeigen,
Dass ein neuer Tag anbricht. – ||
II.
Ewigkeit, zu Dir sich lenken
Muss der Blick aus dieser Not;
Alles Fühlen, alles Denken
Schaut dann junges Morgenrot.
Alles Sterben ist ein Werden.
Ewig wandelt sich das Sein:
Neue Sonnen, neue Erden.
Gottnatur, auch ich bin Dein.
Und Du trägst in Deinen Händen
Tod, Geburt und Freund und Feind,
Liebe, Hass – an allen Enden
Weit getrennt, – in Dir vereint.
Ewigkeit, Du bist die Quelle;
Aus dir trinkt das Leben Kraft,
Und der Tag wird wieder helle:
Hoffnung winkt, der Wille schafft. – – –