Greeff, Richard

Richard Greeff an Ernst Haeckel, Bonn, 13. November 1865

Bonn den 13. November 1865

Lieber Freund!

Nach langem Hoffen und Harren erhielt ich neulich durch Prof. Schultze Ihren Brief, der mir die sehr bedauernswerthe Ursache ihres Ausbleibens erklärte. Täglich hatte ich in der letzten Zeit auf Ihre Ankunft gewartet und als ich selbst auf Erkundigungen bei Bleek’s hier nichts Näheres erfuhr, dachte ich Sie mir schließlich auf einer neuena Nordsee-Expedition, die Sie möglicherweise noch von Bremen aus unternommen um die unvollständigen Helgoländer Fischzüge zu erweitern. Ich hatte freilich keine Ahnung davon, daß Sie Ärmster einen so traurigen Abschied von unserm Eiland, das uns ohnehin so mangelhafte Gastfreundschaft erwiesen, nehmen mußten. Die „Solide“, die bei mir bisher in sehr freundlicher Erinnerung stand, da sie mich bei meiner Ueberfahrt nach Bremerhaven so ausgezeichnetb behandelt hatte, daß ich selbst von den Anfangs || mit Resignation erwarteten gastrischen Umkrempelungen vollkommen verschont blieb, ist nun freilich in meiner Achtung sehr gesunken. Hoffentlich werden Sie sich jetzt wieder vollkommen erholt haben. Mir hat es bisher auch leidlich gut gegangen, [!] ich war neulich recht froh wieder in meinen häuslichen Hafen eingelaufen zu sein und nicht mehr täglich zwischen der bösen Seekrankheit und einem Alasch bei Mariechen u. sonstigen Heilversuchen in Grog etc in der Schwebe zu sein. Wenn ich meine Helgoländer zoologischen Resultate betrachte, so sind dieselben im Ganzen ziemlich gering, d. h. in Bezug auf neue Beobachtungen, obgleich ich im Uebrigen mit dem was ich gesehen und gelernt habe, zufrieden bin, und das danke ich besonders Ihrer Anwesenheit, da ich dadurch wenigstens einen Ueberblick und eigene Anschauung über die in der Nordsee vorkommenden Quallen etc gewonnen habe. Mit unserm neuen Wurm, über den wir uns || so sehr gefreut hatten, unseres Haeckelia, ist es leider wieder einmal nichts, er ist längst bekannt und beschrieben von H. Rathke in seinen „Beiträgen zur Fauna Norwegens“ als Ammotrypane Seite 186 und ff; selbst die Art ist vielleicht nicht einmal neu, sie nähert sich wenigstens demc auf S. 205 beschriebenen u. Taf X Fig 1 usw abgebildeten Ammotrypane aulogaster. Auch Leuckart u. Frey in ihren „Beiträge zur Kenntnis wirbelloser Thiere“ erwähnen seiner S. 167 als auf Helgoland gefunden. Rathke beschreibt, d freilich in unsicherer Weise, eine Ringelung resp. Segmentirung des Körpers, die aber sicher nicht, wie Sie sich auch überzeugt haben, besteht. Ich werde deßhalb und wegen einiger Specialia doch vielleicht noch eine Angabe darüber machen. Mit meinen Nematoden bin ich übel daran, ich möchte sie gerne abschließen und nach Dresden schicken um zu Anderem übergehen zu können, aber erstens kann ich hier noch nicht die Arbeit von Bastian, die schon im Juni dieses Jahres in der englischen Akademie, (wie ich aus einem kurzen Referate in den Annals and Magazine of natural Historysehe), gelesen worden ist und in den Transactions erscheint, bekommen, und zweitens scheint Schneider mit seiner Arbeit auch noch lange zu zögern. Ich höre wenigstens hier gar nichts davon. ||

Beifolgend schicke ich Ihnen einige Anodonten, wonach Sie in Helgoland mich einigemale fragten, und die wir hier gemeinsame, woraus nun leider nichts geworden ist, sammeln wollten. Es sind prächtige Exemplare, die ich, was sief freilich nicht besser macht, eigenhändig an der Sieg auf einem Spaziergange mit meiner Frau, aufgefischt habe. Eine davon, die ich mit einem Faden umbunden, ist so groß, wie ich sie hier noch nicht gefunden habe. Hoffentlich werden sie unbeschädigt und noch lebend ankommen, und sie Ihnen überhaupt noch dienlich sein, in anderm Falle müssen Sie mit dem guten Willen vorlieb nehmen. – Das Schleppnetz habe ich richtig erhalten und danke Ihnen nachträglich vielmals für dessen Besorgung, dahingegen war in meiner so sorgfältig verpackten Kiste mit Seethieren, ein großes Glas entzwei und der ganze Inhalt mit Sägespänen u. dergleichen in innige Verbindung gerathen. Hoffentlich wird es Ihnen mit Ihren Sachen besser ergangen sein. Für heute will ich schließen damit die Muscheln zur Post kommen und werde mich recht sehr freuen bald einmal wieder etwas von Ihnen zu hören.

Mit freundschaftlichstem Gruße Ihr ergebener

R. Greeff

a korr. aus: N; b korr. aus: ausgezeichneten; c eingef.: dem; d gestr.: beschreibt; e korr. aus: ges; f korr. aus: Sie

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
13.11.1865
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 48
ID
48