Haeckel, Ernst; Liebmann, Otto

Ernst Haeckel und Otto Liebmann an Julius Pierstorff (Prorektor), Jena, 25. Januar 1892

Jena 25. Januar 1892.

Bericht über den Entwurf

eines Statuts des

Mende-Stipendiums

Magnifice Academiae Prorector!

Beifolgende beehren sich die beiden Unterzeichneten, als Kollektoren des Mende-Stipendiums, Ew. Magnificenz den von Ihnen ausgearbeiteten Entwurf eines Statuts über die Collatur dieses Stipendiums vorzulegen, entsprechend der Aufforderung des Hohen Großherzoglichen Staats-Ministeriums durch Rescript vom 12. dieses Monats in der letzten Sitzung der Verwaltung-Deputation, vom 23. dieses Monats, welcher die Unterzeichneten beiwohnten, und in welcher die maßgebenden Grundsätze für den Entwurf jenes Statuts vereinbart wurden, konnte bereits || – unter Zustimmung des Herrn Ordinarius der Juristen-Facultät – festgestellt werden, daß eine strenge Ausführung der in dem Testamente des Dr. Richard Mende (vom 17. September 1887) enthaltenen Bestimmungen, ihrem Wortlaute nach, logischer Weise nicht möglich sei. Demgemäß wurden die beiden Unterzeichneten ermächtigt, bei Ausarbeitung des betreffenden Statuts nicht so hohe den strikten Wortlaut aller jener Bestimmungen zur Richtschnur zu nehmen, als vielmehr die allgemeinen wohlwollenden Absichten des Legators, welche ihnen seit vielen Jahren durch wiederholte ausführliche Besprechungen genau bekannt sind. || Diese Auffassung erscheint umso mehr gerechtfertigt, als der verstorbene Dr. Richard Mende im Laufe der letzten zwanzig Jahre zwar die einzelnen untergeordneten Bestimmungen seines Testamentes vielfach abänderte, aber die Haupt-Absicht seiner Stiftung unverändert beibehielt, durch dieses Stipendium das Studium der Philosophie und der Naturwissenschaft an der Universität Jena zu unterstützen und zu fördern. In diesem Sinne haben die Unterzeichneten das beifolgende Statut entworfen und ersuchen Ew. Magnificenz und den illustren Senat, dasselbe befürwortend an das Hohe Großherzogliche Staats-Ministerium gelangen zu lassen.

Hochachtungsvoll

Dr. Ernst Haeckel

o. Prof. der Zoologie

Dr. Otto Liebmann

ord. Prof. der Philosophie. ||

[Beilage]

Entwurf eines Statuts | des | Mende-Stipendiums

1. Das Mende-Stipendium besteht aus den Zinsen-Ertrage eines Legates von 30,000 Mk – Dreißig tausend Mark –, welches der am 1. März 1891 verstorbene Gymnasial-Lehrer a. D. Dr. Richard Mende, – laut seines am 2. dieses Monats eröffneten Testamentes (vom 19. September 1887) der Universität Jena zur Gründung eines Stipendiums vermacht hat.

2. Zu Collatoren dieses Stipendiums hat derselbe mit deren Zustimmung die ordentlichen Professoren Dr. Ernst Haeckel und Dr. Otto Liebmann ernannt, welchen der Legatar schon seit langer Zeit seine bezüglichen Absichten wiederholt mitgetheilt hatte, und welche sich verbindlich gemacht haben, die Bestimmungen des Legates in seinem Sinne auszuführen. ||

3. Die beiden Collatoren sind übereingekommen, den gesammten jährlichen Zinsen-Ertrag des Mende’schen Legat-Kapitals in der Weise gleichmäßig zu teilen, dass jeder von ihnen je über die Hälfte des Zinsabwurfs zu verfügen und den Betrag dieser Hälfte als Stipendium zu vergeben hat.a

4. Den Intentionen des Legatars entsprechend, welcher gleichmäßig das Studium der Philosophie und der Naturwissenschaft an der Universität Jena zu fördern wünscht, sind die beiden getrennten Stipendien dergestalt zu vergeben, daß das eine derselben durch Hofrath Prof. Dr. Otto Liebmann an Studirende des philosophisch-historischen Gebietes (speciell der speculativen Philosophie) verliehen wird, dass andere durch Prof. Dr. Ernst Haeckel an Studirende des naturwissenschaftlich-medicinischen Gebietes (speciell der Biologie). ||

5. Beide Mende-Stipendien werden alljährlich am 1. März durch Anschlag am schwarzen Brett ausgeschrieben; Meldungen zu denselben können erst nach Ablauf des ersten Semesters stattfinden und werden von den Collatoren persönlich in der Zeit vom 1. April bis 1. Mai entgegengenommen.

6. Bei Verleihung der Mende-Stipendien sind, entsprechend den Bestimmungen des Legates, besonders befähigte und strebsame Studirende zu bevorzugen, und solchen kann das Stipendium bis auf je drei Jahre, nach Ablauf des ersten Semesters, verliehen werden. Im Bedürfniß-Falle jedoch, wenn mehrere gleich tüchtige Bewerber sich melden, kann jedes der beiden Mende-Stipendien auch in zwei zerlegt werden.

7. Das Stipendium ist nicht daran gebunden, daß die Empfangs-Berechtigten alle drei Jahre hier studiren; es kann viel mehr solchen Studirenden, die Talent und Fleiß bereits bewährt haben, dasselbe auch dann noch verliehen werden, wenn sie ihre Studien nach Ablauf einiger Semester auf einer anderen Universität fortsetzen wollen. ||

8. Die beiden Collatoren haben die von ihnen getroffene Entscheidung über Verleihung des Mende-Stipendiums alljährlich, spätestens bis zum 1. Juni,b dem Prorector mitzutheilen.

9. Die Auszahlung des Stipendiums erfolgt durch das Universitäts-Rentamt, auf Anweisung der beiden Collatoren, in zweijährlichen Raten, am 1. Juni und 1. December.

10. Für den Fall der Versetzung oder des Ablebens bestimmen die beiden Collatoren an ihrer Stelle ihre jeweiligen Amts-Nachfolger.c

Jena, den 25. Januar 1892

a gestr.: welcher voraussichtlich 1000–1100 Mk betragen wird, gleichmäßig zu teilen, sodass jeder derselben jährlich über ein Stipendium von 500–550 Mk zu verfügen hat.; eingef.: von Otto Liebmann: Kapitals in der Weise gleichmäßig zu teilen, dass jeder von ihnen je über die Hälfte des Zinsabwurfs zu verfügen und den Betrag dieser Hälfte als Stipendium zu vergeben hat.; b von Otto Liebmann eingef.: spätestens bis zum 1. Juni; c gestr.: Prof. Dr. E. Haeckel den ordentlichen Professor der Zoologie, Prof. Dr. O. Liebmann den ersten ordentlichen Professor der Philosophie

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
25.01.1892
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
UAJ, BA1564, 23r-24r, 25r-26v (Beilage)
ID
47926