Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an den Prorektor der Universität Jena, Friedrich Nippold, Rapallo, 17. Februar 1904

An Seine Magnificenz

Herrn Professor Dr. Nippold

d. Z. Prorector der Universität Jena.

Rapallo (Riviera levante)

17. Februar 1904

Magnifice Academiae Prorector!

Hochverehrter Herr College!

Sie haben die Güte gehabt, mich am 16. Februar, an dem ich hier meinen siebzigsten Geburtstag beging, durch ein ehrenvolles Glückwunsch-Schreiben zu erfreuen, in dem sie zugleich der freundlichen Teilnahme der ganzen Universität Jena, und an ihrer Spitze des illustren Senats, beredten Ausdruck geben. Unter den zahlreichen Gaben, die mir an diesem Gedenktag zu Teil geworden sind, hat dieser Beweis der Anerkennung und der Hochschätzung seitens unseres Corpus Academicum mich ganz besonders erfreut. ||

Im Laufe der 43 Jahre, in denen ich dem Lehrkörper meiner Alma mater angehöre, bin ich mit dem selben immer inniger und fester verwachsen, und ich darf wohl sagen, dass es mein unablässiges Bestreben geblieben ist, mich ihrer hohen Traditionen würdig zu zeigen. Als leuchtende Vorbilder standen mir stets die Namen der zahlreichen ausgezeichneten Naturforscher und Philosophen vor Augen, die die Gedenktafeln von Jena schmücken.

Als ich Ostern 1861 mich für vergleichende Anatomie in unserer Medizinischen Fakultät habilitirte, bestand noch kein ordentlicher Lehrstuhl für Zoologie. Dieser wurde erst gegründet und mir anvertraut, nachdem ich 1865 eine Berufung nach Würzburg abgelehnt hatte. Allein das selbstständige zoologische Institut, das damals schon als notwendiges Attribut desselben angestrebt wurde, konnte erst 1883 ins Leben treten. ||

Die Berufungen an grössere Universitäten (Wien, Strassburg, Bonn, 1871-1874) boten mir viel bedeutendere äussere Mittel und einen viel weiteren unmittelbaren Wirkungskreis, als unser kleines Jena mir gewähren konnte. Indessen verzichtete ich auf diese glänzende akademische Laufbahn in der festen Überzeugung, dass der eigenartige Genius loci unserer Thüringer Gesammt-Universität meinem persönlichen Streben und Arbeiten am angemessensten sei; und dass keine andere Deutsche Universität mir solche Freiheit des Forschens und Lehrens, solche Muße zu selbstständiger ungehemmter Arbeit, und solchen ungetrübten Genuss schöner Natur bieten könne. Ich habe es daher auch niemals bereut, meine ganze akademische Lehrtätigkeit, 86 Semester hindurch, unserem theuren, in seiner Art einzigen Jena gewidmet zu haben. ||

In dieser langen Laufbahn habe ich mich stets des freundschaftlichen Wohlwollens und der wissenschaftlichen Förderung durch den Verkehr mit meinen hochverehrten Herren Collegen zu erfreuen gehabt, unter denen sich so viele ausgezeichnete und hoch verdiente Vertreter der Wissenschaft befinden. Ich bitte Sie, hochverehrter Herr Prorector, Denselben diesen Ausdruck meines aufrichtigen Dankes dafür mitzuteilen, und zugleich für Ew. Magnifcenz selbst den gebührenden reichen Anteil davon in Empfang zu nehmen.

In vorzüglicher warmer Verehrung

Ew. Magnifcenz ergebenster

Ernst Haeckel

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
17.02.1904
Entstehungsort
Zielort
Jena
Besitzende Institution
Universitätsarchiv Jena
Signatur
UAJ, BA 1049, 80r-81v
ID
47907