Adolf Giltsch an Ernst Haeckel, Jena, 24. April 1911
Jena, 24. April 1911.
Allverehrtester Herr Geheimrat!
Geliebter väterlicher Wohltäter!
Ihr so herzlicher Brief zu meinem Geburtstage mit Ihren so herzlichen Glückwünschen zu diesem Tage, als auch weiter Ihre Wünsche für meine Gesundheit haben mich tief gerührt. Ich hoffe, daß es mir doch noch vergönnt sein möchte, mich dieser, Ihrer so wertvollen Liebe und dauernden Gedenkens an meinen so bescheidenen Leistungen einige Zeit erfreuen zu können; sind doch meine Arbeiten immer nur ein Ergebniß der Anleitung und Anregung durch die von Ihnen ausgehendena Strahlen der Begeisterung für Kunst und Wissenschaft gewesen.
Ihr neues Mißgeschick hat mir tiefen Schreck gebracht und bedauere ich mit ganzem Herzen diese, hoffentlich nicht allzuandauernde, Hemmung Ihrer Bewegungsmöglichkeit. Mir hat dieser Fall gestern unendlichen Schmerz bereitet und ist es mein sehnlichster Wunsch, bald mir eine || Nachricht zu verschaffen, welche unsern allverehrten Vater Haeckel als wieder gesund meldet.
Als ich heute meinen Geschäftsangehörigen die wertvollen Bilder von Ihnen zeigte und erläuterte, habe ich auch in eindringlicher Weise geschildert, wie nur durch Ihr Wirken die Lithographie in Jena ihre jetzige Stellung erringen konnte. Ohne Haeckel hätten wir uns überhaupt nicht entwickeln können und die Arbeiten gingen in andere Städte über.
Die beiden Vegetationsbilder gaben mir Veranlaßung, die zeichnerischen Schwierigkeiten der Darstellung solches Ueber- und Durcheinanders in der Natur zu würdigen. Gerade das nahe Großartige im Urwalde ist ja so schwer darzustellen und nicht zu photographiren. Was gehört dazu für Mut und persönliches Geschick dazu!
Die Gelegenheit, mich näher mit solchen Motiven zu beschäftigen, habe ich doch nur bei Ihnen gefunden.
Und wie manigfaltig und abwechselnd || waren Ihre zeichnerischen Motive; immer anregend und schön; niemals langweilig. Wie glücklich war ich und bin ich noch, in dieser Zeit gelebt zu haben und unter Ihrer Anregung und Führung arbeitenb zu können. Die Arbeit immer nur Vergnügen für mich, Arbeitstag gewissermaßen nur Feiertag: das will erlebt und empfunden sein; darinnen liegt so viel Glück und Segen, die man bis an sein Lebensende schützen muß.
Haben meine Söhne auch nicht selbsttätig landschaftern können, so habe ich doch Gelegenheit gewonnen, sie kopieren zu lassen. Und so habe ich die Freude, daß sie sich nach Ihren Skizzen sehnen. Durch die Wanderbilder und Ihre so wertvollen neuesten Geschenke sind ja diese Gefühle nun so schön in Erfüllung gegangen. Ja, da entwickelt sich eine sogenannte Nimmersattigkeit und wenn man selbst probiert hat, dann würdigt man anderer Leistungen erst vollkommen. ||
Ihre Hochzeitsgeschenke für meinen Sohnen Hermann haben uns alle beglückt und habe ich dieselben gleich überreicht. Hermann hatte sich immer ein paar Skizzen von Ihnen gewünscht; er ist nun glücklich und stolz auf diese Bilder. Selbstverständlich ist hierbei Ihr Porträt von Bauer (mit braunem Ton) gleichgeschätzt: Das Porträt Haeckels von Haeckel Selbst als Hochzeitsgeschenk erhalten. Hermann mußte heute eine Freundeshochzeit mitmachen und mußte geschäftlich herumhetzen. Ich hoffe aber, daß schon morgen diese Zeilen, durch ihn abgegeben, mir möglichst gute Nachricht von Ihnen verschaffen.
Daß ich durch Eduard und seine Margarete Großvater geworden bin, erlaube ich mir, Ihnen offiziell und hocherfreut noch mitzuteilen für den Fall, Ihre Fräulein Köchin oder Herr Pohle nicht daran gedacht haben sollten.
Mit besten Grüßen an Sie und Frau Geheimrat von der ganzen Familie Giltsch
Ihr treu ergebenster
Adolf Giltsch
a eingef.: ausgehenden; b korr. aus: arbeitet