Separatvotum der Vertreter der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer der philosophischen Fakultät, Jena, 1. Februar 1880
Separat-Votum der
Vertreter der mathematisch-
naturwissenschaftlichen
Fächer der philosophischen
Facultät.
Jena, 1. Februar 1880.
Hohes Staats-Ministerium!
Aus Veranlassung des Beschlusses der philosophischen Facultät, betreffend die Beförderung des Professor extraordinarius Dr. Goetz zum Ordinarius und die daran geknüpfte „gleiche Beförderung“ der Professoren Gaedechens und Schäfer sehen sich die unterzeichneten dissentirenden Mitglieder der Facultät zu folgender Erklärung gedrungen:
I. Da durch die Beförderung des Dr. Goetz die vacante etatsmäßige ordentliche Professur || der Philologie in wünschenswerther Weise ausgefüllt wird, schließen sie sich dem bezüglichen Votum der übrigen Facultäts-Mitglieder, welches die betreffende Anfrage der Hohen Staats-Regierung bejahend beantwortet, einstimmig an.
II. Dagegen können die Unterzeichneten nicht das im Anschluß daran von der Majorität der philosophischen Facultät gestellte Verlangen theilen, das zugleich zwei neue ordentliche Professuren, eine für Archäologie und eine für Geschichte des Mittelalters, gegründet werden möchten. Denn wenn wirklich eine Anzahl neuer ordentlicher Professuren in der philo||sophischen Fakultät gegründet werden sollten, so würde nach der Überzeugung der Unterzeichneten ein viel dringenderes Bedürfniß für mehrere, bisher nicht durch ordentliche Professuren vertretene naturwissenschaftliche Fächer vorliegen, als für die beiden, eben genannten historisch-philologischen Fächer.
Ohnehin sind schon jetzt in unserer Fakultät die philologisch-historischen Disciplinen mit Bezug auf die Zahl der ordentlichen Professoren sehr bevorzugt vor den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern, trotzdem die Zahl der Studirenden in den letzteren ungleich größer ist als in den ersteren.* ||
Vor allem endlich glauben die Unterzeichneten auch bei dieser Gelegenheit als die zur Zeit dringlichsten Bedürfnisse der Facultät die Besetzung der ordentlichen Professoren für Physik und für National-Ökonomie in den Vordergrund stellen zu müssen.
Hochachtungsvollst
Die Vertreter der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer in der philosophischen Facultät
E. E. Schmid
E. Haeckel
Thomae
Snell
A. Geuther
E. Strasburger
*Anmerkung: Nach Ausweis unseres Personal-Verzeichnisses beträgt gegenwärtig die Zahl der Studierenden in den Fächern der Philosophie, Philologie und Geschichte 52, in den Fächern der Mathematik || und der Naturwissenschaften 137. Im letzten Sommer-Semester betrug die Zahl der ersteren 67, die der letzteren 159. – Außerdem ergiebt die vergleichende Statistik, daß an allen übrigen Deutschen Universitäten gleichen Ranges (mit einer Studirenden-Zahl zwischen 406 und 600) die Zahl der ordentlichen Professoren in den philologisch-historischen Fächern geringer oder höchstens ebenso groß, in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern hingegen größer ist, als es in unserer Facultät der Fall ist.