Rudolph Leitem an Ernst Haeckel, Nürnberg, 10. Oktober 1907
Nürnberg, den 10. Okt. 1907.
An Seine Exelenz
Herrn Professor Dr. Ernst Haeckel
Jena.
Hochverehrter Herr Professor! Seit März d. J. bin ich Mitglied des Deutschen Monistenbundes und als solches erlaube ich mir an Ew. Hochwolgeboren folgende Bitte zu richten:
In der letzten Nummer der „Blätter“ habe ich gelesen, daß in nächster Zeit das von Ew. Hochwohlgeboren schon längst angestrebte Phyletische Museum errichtet wird, woselbst auch ein Diener angestellt werden soll. Ich bin Lithograph (21 Jahre alt) und würde gern diesen Beruf, welcher bekanntlich anhaltendes sitzen erfordert, aufgeben, wenn ich eine andere passende Stelle haben könnte. Deshalb wäre ich sehr dankbar, wenn Ew. Hochwohlgeboren die Güte hätte, mir mitzuteilen, ob es evtl. möglich wäre, dass ich die in Aussicht genommene Diener- || stelle erhalten könnte. Ew. Hochwohlgeboren können versichert sein, daß ich einzig und allein aus Gesundheits-Rücksichten diesen meinen Beruf aufgeben will.
Ich bin mir von vornherein bewußt, daß jeder Beruf seine Schattenseiten hat, doch glaube ich sicher einer derartigen Stelle – wie ich oben erwähnte – durchaus gewachsen zu sein. Habe einen in jeder Weise zuverläßigen und soliden Charakter (Bin Abstinent, 175 cm. groß und organisch gesund.)
Nachdem ich schon seit circa 2 ½ Jahren eine freie Welt- u. Lebensanschauung habe und ich (ohne zu übertreiben) ein Bewunderer und aufrichtiger Verehrer Ew. Hochwohlgeboren bin und bleibe, so würde ich stets bemüht sein, mich dieser Stelle in jeder Weise anzupaßen.
Es würde mich außerordentlich freuen, sollte Ew. Hochwohlgeboren von meinen Anerbieten Gebrauch machen und bin auf Wunsch gerne bereit mich persönlich vorzustellen. Schließlich möchte ich höflichst um Verzeihung bitten, wenn ich Ew. Hochwohlgeboren hierdurch belästige.
Mit aller Hochachtung
Ergebenst
Rudolph Leitem
Nürnberg
Reichsstr. 3.