Geuther, Anton

Anton Geuther (Dekan) an die philosophische Fakultät der Universität Jena, Jena, 28. Oktober 1876

Senior venerande,

Assessores gravissimi!

Hr. W. v. Bardzki, dessen Arbeit für die Promotion in praesentia angenommen worden ist, hat mir das beifolgende Schreiben überbracht. Ich muß nun allerdings gestehen, daß ich die Nothlage, in welcher sich derselbe befindet, anerkenne, und daß ich unter den obwaltenden Umständen, welche Sie aus dem Schreiben zur Genüge entnehmen können, ausnahmsweise für den letzten Modus bin, Hrn. v. Bardzki möge, unter den gegebenen, ohne seine Schuld eingetretenen Umständen, genehmigt werden, „Staatsrecht“ als 2. Nebenfach zu wählen.

Als Hauptfach würde „Staatswissenschaften“ und als das eine Nebenfach „neueste Geschichte“ gelten können. Da Hr. College Ad. Schmidt heute abgereist sein wird, und er mir gesagt hat (da leider auch Hr. Coll. Wittich Urlaub erhalten hat), daß für neueste Geschichte Hr. Coll. Hildebrand das Examen übernehmen könnte, so frage ich an, ob Hr. College Hildebrand eventuell (d. h. wenn die Facultät den Nothstand in dieser Angelegenheit mit mir anerkennen würde) das Examen in Staatsrecht und in der neueren Geschichte übernehmen würde und ersuche ihn deshalb mit seinem Votum voranzugehen.

Hochachtungsvoll

Dr. A. Geuther

d. Z. Decan

Jena, d. 28.10.76. ||

Für den Vorschlag Ew. Spectabilität. Auch bin ich ausnahmsweise bereit, das Examen für Hrn. Collegen A. Schmidt abzuhalten. Hildebrand

Ich stimme dafür, dass das Staatsrecht als Nebenfach in diesem Falle zugelassen werde, wobei ich noch bemerke, daß in Leipzig das Staatsrecht als Examensfach im philosophischen Doctorexamen angenommen ist. Snell

Wie der Hr. Senior, schon aus Billigkeitsrücksichten gegenüber dem Bewerber. Stickel

Der vorliegende Fall ist nun einmal soweit verschoben, daß er als ein ausnahmsweiser anzusehen ist. Nur indem ich in dem vorgeschlagenen Examens-Modus eine aushelfende Ausnahme sehe, stimme ich für ihn. E. E. Schmid

Da mir vollkommen unbegreiflich ist, wie dem Candidaten zwei juristische Fächer (Staatsrecht und Völkerrecht) als Examen-Fächer unserer Facultät genannt sein können, und da die ihm doch jedenfalls eingehändigten gedruckten Bedingungen Nichts davon enthalten, bedaure ich gegen Zulassung stimmen zu müssen. Haeckel

Wie Herr College E. E. Schmid. Moriz Schmidt ||

Wenn dem betreffenden Herrn officiell mitgetheilt worden ist, daß er sich in Staatsrecht und Völkerrecht prüfen lassen könne, so werden wir sicher den Ausspruch unseres Herrn Dekans nicht desavouiren können. Ob nun diese Auskunft eine officielle gewesen ist, kann ich aus den Akten nicht entnehmen, stimme also einstweilen gegen Zulassung zur Prüfung. Delbrück

Auch mir scheint eine Feststellung, ob jene Auskunft über die Prüfungsfächer eine officielle gewesen ist, zunächst nothwendig, und muß ich, bei aller Geneigtheit, den vorliegenden Fall einfach zu erledigen, einstweilen gegen die Zulassung stimmen. R. Eucken

Zurück d. 29.10.76

Beschluss.: Da keine Stimmeneinhelligkeit vorhanden ist, nochmaliger Umlauf der Missive, ob ein Consess beantragt wird.

A. Geuther

d. Z. Decan

Senior venerande,

Assessores gravissimi!

Da, wie Sie aus vorstehenden Abstimmungen ersehen, 6 Stimmen für den vorgeschlagenen Modus und 3 Stimmen dagegen, so frage ich an, ob ein Consess beantragt wird; wenn nicht, werde ich nach der Majorität verfahren.

Hochachtungsvoll

Jena 29/10 76

A. Geuther

d. Z. Decan

Ich a beantrage keinen Consess und beharre bei meinem Votum. Stickel | Ebenso. E. E. Schmid | Ebenso. M. Schmidt | Hildebrand | Fortlage|

Um Weitläufigkeiten zu vermeiden, trete ich dem Votum der Herrn Collegen bei, indem ich mich der Motivirung des Herrn Collegen E. E. Schmid anschließe. R. Eucken ||

Da ich aus der Abstimmung die Ueberzeugung gewinne, daß in einem Consess auf Zulassung erkannt werden würde, stelle ich ebenfalls keinen Antrag auf Consess. Delbrück

Ich beantrage keinen Consess und enthalte mich der Abstimmung. Haeckel

Zurück d. 30.10.76

Beschluss: Der Candidat ist zum Examen zuzulassen und in Staatswissenschaften, Geschichte und Staatsrecht zu examiniren.

A. Geuther

d. Z. Decan

a gestr.: glaube

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Datierung
28.10.1876
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
UAJ
Signatur
UAJ, M 452, Bl. 298r-299v
ID
47407