Walther May an Ernst Haeckel, Karlsruhe, 3. Juli 1916
Karlsruhe, 3.7.16.
Hirschstr. 105
Sehr verehrter Herr Geh. Rat!
In den letzten Wochen hat sich bei mir eine nicht unbedenkliche Herzschwäche entwickelt, die mich veranlasst, testamentarische Bestimmungen über meinen Nachlass zu treffen. Ich habe im Laufe der Jahre eine ganz hübsche Sammlung von Gegenständen zusammengebracht, die sich auf Darwin, Darwinismus, überhaupt Deszendenztheorie und ihre Geschichte beziehen, und es wäre mein Wunsch, dass diese Sammlung nach meinem || Tode nicht ganz zersplittert würde und in Hände käme, die sie auch verwerten könnten.
In erster Linie habe ich nun daran gedacht, die betreffenden Gegenstände dem Phylethischen Archiv in Jena testamentarisch als Geschenk zu vermachen, und ich erlaube mir die ergebene Anfrage, ob dem Archiv mit einem solchen Geschenk gedient wäre? Ferner wäre es mir lieb zu wissen, in welcher Form das Vermächtnis abzufassen wäre, ob eine bestimmte Person angegeben werden muss oder das Archiv (oder || Museum?) unpersönlich und ob eventuell die Verpackungs- und Transportkosten von dem Institut getragen werden könnten?
Es handelt sich etwa um folgende Gegenstände:
1). 10 Mappen mit Porträts und anderen Bildern zur Geschichte der Deszendenzlehre.
2). 1 Mappe mit Kohlenzeichnungen zu Darwins Leben und Lehre.
3). Zehn Mappen mit gesammelten Bildern: Darwinismus, Domestikation, Kampf ums Dasein, geschlechtliche Zuchtwahl, der Affe in Natur, Kunst und Karikatur, Vergesellschaftung im Tierreich, Das Meer.
4). 4 Mappen mit Zeitungs- || ausschnitten betr. Darwin, Haeckel, Darwinismus.
5). Gegen 20 gerahmte Bilder betreffend Darwins Leben und Schüler.
6). 6 gerahmte Affenbilder.
7). Eine hübsche Sammlung (gegen 60 Stück) plastischer Affen aus verschiedenem Material.
8). Gegen 50 Dissertationskasten mit Schriften zur Zoologie, Deszendenztheorie, Geschichte der Naturwissenschaft etc.
9). Mehrere hundert gebundene Bücher zur Geschichte der Biologie u. Deszendenztheorie.
Alles ist wohl geordnet, die Bilder auf gleich großen Kartons aufgeklebt, die Mappen etikettiert. Sollte ich noch dazu kommen, so werde ich in den großen || Ferien einen genauen Katalog anfertigen.
Wenn das Phyletische Archiv keine Verwendung für die Sammlung hätte, so wäre ich Ihnen dankbar für einen Rat, wem ich sie sonst etwa hinterlassen könnte. Das Archiv könnte natürlich frei über alles verfügen und solche Dinge, die nicht für es passten, ausscheiden oder anderweitig abgeben.
Indem ich hoffe, dass dieser Brief Sie im besten Wohlbefinden antrifft, verbleibe ich mit den ergebensten Grüßen
Ihr stets dankbarer
und getreuer Schüler
W. May
[Ernst Haeckel: Antwortvermerk]
Jena, 5. 7. 16
Heute geantwortet, dass das Phyletische Archiv in Jena – ein Organ der neuen Univeresitäts-Bibliothek – die Sammlung von Prof. Walther May gern aufnehmen wird und dafür der passendste Ort ist.
Ernst Haeckel