Carneri, Bartholomäus von

Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Marburg an der Drau, 21. Oktober 1897

Marburg 21. X. 97.

Hochverehrter und geliebter Freund!

Tausend Dank für den lieben und hocherfreulichen Gruß aus der Heimath. Glaub’s gerne, daß die Reise strapaziös war. Sie wird Ihnen aber auch reichlich Früchte getragen haben, die Sie gewiß der Welt zu genießen geben werden. Für’s Erste ist es mir das Wichtigste, daß Sie die Strapazen gut ertragen haben. Wie oft hab’ ich Ihrer gedacht! ||

Die Lebenszeichen, mit denen ich Ihre Lebenszeichen erwiedert [!], werden Sie wohl erhalten haben. Was ich von Ihnen wußte, hab’ ich Fräulein delle Grazie mitgetheilt, und jeder von uns hat sich in einen schönen Traum gewiegt. Sie hätten vom schwarzen Meer nach Konstantinopel kommen können. Da gäb’ es eine Eisenbahn, die Sie über Wien nach Hause gebracht hätte. Sie hätten aber auch von dort – bei Ihrer Liebe zu den Lloyd-Dampfern über Athen nach Triest fahren können, von wo der Weg in die Heimath über Marburg geführt hätte. Sie müssen lachen über die unvernünftigen Umwege. Allein der schwärmerischen Verehrung ist kein Umweg zu unvernünftig. Auch haben wir ja nicht ernstlich daran geglaubt; aber es that so wohl, mit diesem schönen Glauben zu spielen. ||

Mir geht es schlechter, aber noch immer erträglich, und meinen Grüßen schließen sich die meiner Kinder und meines Neffen an.

Prof. Müllner, der schwer erkrankt war, ist hergestellt, und die Schöpferin des Robespierre hat als soeur grise so glänzend sich bewährt wie als Epikerin.

Nochmals tausend Dank, und mit den besten Wünschen für Ihr u. all Ihrer Lieben ferneres Wohlergeh’n

Ihr ewig dankbarer

B. Carneri

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
21.10.1897
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 4715
ID
4715