Carneri, Bartholomäus von

Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Marburg an der Drau, 20. Mai 1897

Marburg 20. V. 97.

Geliebter, hochverehrter Freund!

Nicht, um Sie gleich wieder in Briefschuld zu versetzen, (ich werde schon wieder schreiben) und nur, weil ich’s nicht länger aushalte, Ihnen zu sagen, wie glücklich es mich macht, durch Sie selbst bestätigt zu seh’n, was ich bereits von unsern Wiener Freunden gehört hatte: daß es Ihnen wieder gut und Ihren Lieben viel besser geht, – schreibe ich heute.

Ihr hochinteressanter Reisebericht vervollständigt die herrlichen Mittheilungen der Blätter || aus Messina, ich weiß Sie wieder ganz in Ihrem Element, und an Sie denkend, seh’ ich Sie vor mir wie in den zwei unvergeßlichen Tagen am Wörthersee. Dabei wird mir zu Muth, als fehlte mir selbst gar nichts.

Nur zu gut begreif’ ich es, daß Sie sich beglückwünschen, Jena nicht aufgegeben zu haben. Welch’ ein Unterschied zwischen jetzt und der Zeit, in der ein österreichischer Unterrichtsminister Sie nach Wien berufen wollte!

Man nannte mich eine Kassandra, als ich Jahr für || Jahr den Grafen Taaffe bekämpfte. Nun schießt seine Saat in die Halme, u. tausendmal schlimmer, als ich es besorgt hatte. Es wird schon wieder besser werden, aber wie, kann man heute gar nicht sich vorstellen.

Mir geht’s nicht schlechter, denn noch immer kann ich meinen guten Humor mir bewahren. Ist man einmal arbeitsunfähig, so giebt’s nichts Besseres. Den Freunden am Gardasee geht’s gut. Von meinen Kindern u. mir alles erdenkliche Liebe.

Immer Ihr Carneri

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
20.05.1897
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 4712
ID
4712