Vollert, Max

Max Vollert an Ernst Haeckel, Jena, 27. Juli 1912

DER KURATOR

DER GROSSHERZOGL. UND HERZOGL. S. GESAMT-UNIVERSITÄT

JENA.

JENA, DEN 27. Juli 1912.

Hierzu: 4 Ausfertigungen

Hochzuverehrende Exzellenz!

Die Stiftungsurkunde habe ich Ihren Wünschen gemäss abgeändert und übersende Ihnen 4 Ausfertigungen mit dem ergebensten Ersuchen, sie unterzeichnen und Drei davon an mich zurückgelangen lassen zu wollen.

In bekannter aufrichtiger Verehrung

Vollert

Seiner Exzellenz | Herrn Wirklichen Geheimen Rat | Professor Dr. Haeckel | hier. ||

[Beilage: Stiftungsurkunde]

Jena, den 30. Juli 1912.

1.

Ein alter Freund und früherer Schüler, der nicht genannt sein will und sich als „amicus veritatis“ bezeichnet, hat mir zur Begründung einer „Ernst Haeckel-Stiftung“ für das phyletische Archiv hier ein Kapital von 36 000 M

(Sechs und Dreißig Tausend Mark)

zur Verfügung gestellt.

Ich überweise hierdurch diesen Betrag der Universität Jena als deren Eigentum.

Mit diesem Kapital soll später der Betrag des Kontos vereinigt werden, welches bei der Bank für Thüringen hier unter der Bezeichnung „Depot des phyletischen Archivs“ besteht. Auch den Betrag dieses Kontos überweise ich hierdurch der Universität Jena. Ebenso alle weiteren Beiträge, welche in Zukunft der „Ernst Haeckel-Stiftung“ noch werden zugewendet werden.

2.

Die vorgedachten Kapitalien sollen nach den für die Verwaltung des Universitätsvermögens bestehenden Vorschriften und den nachstehenden Bestimmungen verwaltet werden.

3.

Die die Kapitalien darstellenden Wertpapiere sollen unter der Bezeichnung „Ernst Haeckel-Stiftung“ besonders verwahrt werden.

4.

Der Zinsertrag soll zur Ordnung, Bearbeitung, Ergänzung und wissenschaftlichen Verwertung des mit dem Phyletischen Museum hier verbundenen Phyletischen Archivs verwendet werden.

Namentlich soll eine Geschichte der Entwicklungslehre geschrieben und veröffentlicht und mein Briefwechsel, soweit er mit der Ent|wicklungslehre in Verbindung steht, herausgegeben werden.

5.

Für diese Arbeiten soll ein Gelehrter der Zoologie gegen eine jährliche Vergütung von 1200 M zunächst auf zehn Jahre als Archivar angenommen werden.

6.

Nach Erledigung der unter 4 bezeichneten Aufgaben soll der Ertrag des Stiftungsvermögens allgemein zur Förderung der Entwicklungslehre verwendet werden. Dies soll namentlich durch Gewährung von Beihilfen zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen, Reisen und Versuchen, durch Unterstützung junger Gelehrter und durch Stellung von Preisaufgaben geschehen können.

7.

Die „Ernst Haeckel-Stiftung“ soll am 1. Januar 1913 in Wirksamkeit treten.

Die bis dahin erwachsenden Zinsen sollen dem Kapital zugeschlagen werden.

Ebenso die Beträge, die künftig in einem Jahre von dem Zinsertrage übrig bleiben. Doch soll zulässig sein, für bestimmte Zwecke größere Mittel nach und nach anzusammeln.

8.

Falls in Zukunft das Kapital durch Verluste verringert werden sollte, soll zunächst die Wiederergänzung erfolgen.

9.

Die Entschließung über die Verwendung der Zinsen be| halte ich mir für meine Lebenszeit selbst vor.

10.

Nach meinem Tode soll über die Verwendung der Zinsen im Sinne der Bestimmungen unter Ziffer 4 bis 8 ein Kuratorium befinden, welches bestehen soll aus dem jeweiligen Universitätskurator und den jeweiligen Ordinarien der Zoologie und Anatomie an der Universität Jena.

Im Falle der Behinderung oder Ablehnung eines Mitglieds des Kuratoriums sollen die verbleibenden Mitglieder dasselbe nach freier Wahl ergänzen dürfen.

11.

Das Amt des Archivars soll zuerst meinem früheren Schüler und langjährigen Assistenten, dem Privatgelehrten Herrn Dr. Heinrich Schmidt hier und imfalle des Wegfalls Herrn Professor Dr. Walter May, Dozenten an der technischen Hochschule zu Karlsruhe, eventuell Herrn Wilhelm Bölsche in Friedrichshagen bei Berlin oder Herrn Dr. Wilhelm Breitenbach in Brackwede bei Bielefeld angeboten werden. Der Archivar wird bei Antritt seines Amts vom Kuratorium über seine Obliegenheiten zu unterrichten und ausdrücklich zu verpflichten sein.

12.

Dem Kuratorium soll von dem Universitätsrentamt alljährlich Rechnung über das Vermögen der Stiftung gelegt werden.

Jena 30. Juli 1912.

Dr. Ernst Haeckel

Prof. Emerit.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
27.07.1912
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 47049
ID
47049