Carneri, Bartholomäus von

Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Marburg an der Drau, 29. Juli 1893

Marburg 29. Juli 1893.

Geliebter und verehrter Freund!

Sie brauchen den Titel und das Motto dieser zwei Bogen nur zu lesen, um zu wissen, was darin steht. Ich weiß, daß Sie in Ihrer Liebe zu mir das, was Ihnen daran nicht recht ist, mir nachsehen werden um des Übrigen willen, welches nur gegen den Dualismus gerichtet ist. Sie brauchen gar nicht mich zu lesen; nothwendig ist nur, daß Sie mich immer gleich lieb haben.

Hoffentlich geht es Ihnen und || Ihren Lieben gut. Mir geht’s schön langsam immer schlechter, aber noch immer geht’s an. Am 8. August fahre ich nach Graz – Hôtel Kaiserkrone – und bin am 9. in der Nacht wieder hier, um am 12. nach Krumpendorf am Wörthersee (Villa Vogelberg) zu meinen Kindern mich zu begeben und bis Anfang, längstens halben September dort zu bleiben. Wie lang wir dort bleiben, hängt von einer schwer Kranken ab, der Adoptivmutter meines Schwiegersohnes und Witwe || desjenigen, den Sie in Wien bei meinen Kindern gefunden haben. Sind Sie allein, so können Sie hier bei mir wohnen. Bei meinen Kindern wäre zum Schlafen kein Raum, aber in Krumpendorf, 10 Minuten weit, soviel Sie wollen. Wir könnten den ganzen Tag beisammen sein; der See ist sehr schön und die Villa meiner Kinder rein bezaubernd.

Ein Wiedersehen hoffend, in alter Liebe und Treue

Ihr

B. Carneri ||

Den 30.

Die vorstehenden, gestern Abends geschriebenen Zeilen enthalten die Antwort auf Ihren lieben Brief vom 27. den ich soeben erhalte. Vom 12. August an bin ich bei meinen Kindern am Wörthersee, mit der Bahn 10 Minuten von Klagenfurt. Wir bleiben dort bis in den September, solang es der Zustand der Kranken gestattet und kommen dann nach Marburg. Hoffentlich klappt damit Ihre Rückkehr aus Gastein. Meine Kinder würde es glücklich machen, Sie wieder zu sehen; was es für mich sein wird, läßt sich gar nicht sagen. Sie lachen mich gewiß aus wegen meiner Skrupel anlangend unsere Glaubensdifferenzen. Böser wär’s, wenn ich mehr glaubte als Sie, und daß ich noch monistischer bin oder sein will als Sie, ärgert nur Andere. Ich könnte den Instinct so auffassen, daß sich jede Differenz aufheben würde. Mehr davon in Kärnten.

Was die Leo-Gesellschaft sei, weiß ich sowenig als Sie u. schreibe morgen noch nach Wien. Geben Sie mir mit einer Postkarte Nachricht von Ihrer Ankunft in Gastein (von hier wird mir alles nachgeschickt) und ich berichte Ihnen dahin. Viel ist gewiß nicht dran.

Sie recht fest an’s Herz drückend Ihr treuer

Carneri

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
29.07.1893
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 4680
ID
4680