Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Marburg an der Drau, 27. April 1893
Marburg a. D. 27./4. 93.
Geliebter und verehrter Freund!
Gern ließe ich Sie noch etwas in Ruhe; aber ich kann nicht umhin, Ihnen zu sagen, wie sehr mir Ihr Unfall an’s Herz geht, und Ihnen für Ihren gar zu lieben Brief zu danken. Daß ich für Sie schwärme, ist richtig; aber daß Sie darnach sind, ist auch richtig. Den Platz, den Sie in der Wissenschaft einnehmen, raubt Ihnen kein Gott. Das Poltern des Jesuiten beweist nur, daß er seinen Untergang voraussieht, wenngleich die || Zeit ihm günstig ist. Hoffen wir, daß es das letzte Aufflackern der Pfaffenherrschaft sei.
Wie viel hätten Sie jetzt zu thun, und wie sehr wird Ihnen die aufgezwungene liegende Stellung hinderlich sein! Schonen Sie sich nur recht. Daß die ganze Expedition im Übrigen zu Ihrer Zufriedenheit ausgefallen ist und Ihrer tapferen Frau so wohl bekommen hat, bleibt immerhin höchst werthvoll, und wird Ihnen nach Ihrer Herstellung erst recht Freude machen. ||
In Wien, wo ich fast vier Wochen war, hatte ich Ihren Brief nicht mit, und weiß der Himmel, wieso in meinem Gedächtniß Messina sich in Palermo verwandelt hat? Schon aus Wien hatte ich Ihnen nach Palermo den Zeitpunkt meiner Heimkehr mitgetheilt; und als ich hier die Neue Freie Presse erhielt, saß Palermo schon so fest in meinem Kopf, daß es mir nicht eingefallen wäre, vor der Adressirung des Briefes Ihre Mittheilung noch einmal zu consultiren. Als ich jetzt nachsah, hätte ich mir || am liebsten Eins versetzt. Übrigens würde ich Sie auch in Messina nicht mehr gefunden haben.
Von meinen Kindern, welchen es gut geht, die herzlichste Erwiederung [!] Ihrer lieben Grüße. Mit mir geht es entschieden bergab; aber noch immer kann ich mich beschäftigen und mein Humor ist ungebrochen und das ist die Hauptsache, nichtwahr?
Damit grüße ich Sie von ganzem Herzen, und mit dem Wunsche, daß Sie recht bald hergestellt sein mögen, drückt Ihnen in Treue die Hand
Ihr
ewig dankbarer
Carneri