Bartholomäus von Carneri an Ernst Haeckel, Marburg an der Drau, 26. Januar 1893
Marburg 26. Jänner 1893.
Geliebter und verehrter Freund!
Für Ihren lieben guten Brief vom 12. Dieses habe ich nicht früher gedankt, weil ich hoffte, Ihnen meinen Artikel noch nach Jena schicken zu können. Der Abdruck verzögert sich aber, wie es bei der Neuen Freien Presse wohl immer geht, und ich möchte Sie nicht abreisen lassen, ohne Ihnen eine glückliche Fahrt gewünscht zu haben, was hiermit geschieht.
Trifft Sie mein Brief mit || dem Zeitungsausschnitt nun mehr in Messina, so adressire ich ihn an das deutsche Consulat, durch das er Sie auch mitten im Plankton herausfindet.
Es ist also richtig der Schlesinger, den ich meinte, und der zu der scheußlichen antisemitischen Bande unserer sogenannten „Vereinigten Christen“ gehört. Die Gelegenheit war zu schön, allem, was da zusammenhängt und zur Fahne der Reaction schwört, einen ordentlichen Hieb zu versetzen. ||
Daß Sie nach Sicilien gehen, freut mich riesig aus zwei Gründen: es beweist mir, daß in Ihrer Familie alles wohlauf ist, und ich gönne Ihnen gar so von Herzen jenen herrlichen Himmelsstrich bei einer Arbeit, der Sie aus ganzer Seele sich hingeben.
Allem Anschein nach wird unser Reichsrath noch vor dem April geschlossen, was für mich zu früh ist, insofern ich immer mühseliger werde und nur in der schönen Jahreszeit etwas || von Wien habe. In diesem Falle würde ich erst im September mich dahin begeben, und zur Zeit Ihrer Rückkehr hier sein. Vielleicht führt Sie Ihr Weg durch Steiermark, und ich rechne darauf, daß Sie seinerzeit mich davon in Kenntniß setzen.
Meine Kinder, die jetzt hier und wohlauf sind, geben mir die herzlichsten Grüße an Sie auf. Von meinem Modernen Menschen veranstaltet Strauss demnächst eine dritte Auflage in kleinem Format und, statt um 4, um 3 Mark das Exemplar.
Mit dem herzlichstem: Glückauf! für’s Leben
Ihr
B. Carneri