Paul von Ritter an Ernst Haeckel, Basel, 5. Juli 1886
Basel | 8 Schärtlingasse
5 Juli 1886.
Hochgeehrter Herr Professor,
Indem ich Ihnen den Empfang des Druckbogens womit sie meinen Namen in einer für mich schmeichelhaften Weise in Ihr unsterbliches Werk über die Radiolarien der Challenger Expeditioneingeführt haben, dankend anzeige, habe ich gleichzeitig die glänzende Beschreibung des akademischen Festes im Bären in der mir zugeschickten No.143 der Jenaischen Zeitung mit großem Interesse gelesen und || ergreife mit inniger Freude die Gelegenheit um Ihnen auch dafür meinen wärmsten Dank zum Ausdruck zu bringen. –
An S. K. H. den Grossherzog, an S. Exzellenz den Staatsminister und Ordenskanzler und an Seine Magnificenz den Prorector der Universität Jena habe ich für die mir zu Theil gewordenen hohen Auszeichnungen mit den mir zu Gebote stehenden Kräften Dankschreiben gerichtet und hoffe Sie, hochgeehrter Professor, als meinen geistigen Mentor auch in dieser Beziehung befriedigt || zu haben. – An Seine Exzellenz von Hase und an Herrn Geheimen Regierungs Rath Eggeling sowie an den Herrn Geheimen Rath Dr. von Guyet habe ich nicht geschrieben. – Sollten Sie es jedocha für nothwendig halten, daß ich diesen Herrn gegenüber das schwarze Blut meines Tintenfasses verspritze, so werde ich solches ungesäumt thun. –
Mit Vergnügen erinnere ich mich unseres herrlichen Spazierganges nach Schwarzburg und beabsichtige Ende des Monats den internationalen Congress des Italienischen Alpenclub in Vesallo mit einer Besteigung der umliegenden Alpen zu besuchen. Bitte um die gütige Zuschickung des Vetterschen Aufsatzes im Kosmos über die sittliche Bedeutung der Phylogenie. Derselbe soll in den italienischen Blättern veröffentlicht werden – In Italien wird die Phylogenie ziehen. – Der Hypnotiker Donato hat dafür gesorgt. –./.b – Von Zeit zu Zeit erhalte ich Anfragen über die Bedeutung der Phylo-||genie und muß mich wundern wie wenig diese selbst unter der gebildeten Klasse von Menschen bekannt ist. Auf die natürliche und einfache Erklärung, daß Anfang und Ende in der Entwickelungsgeschichte der Wesenc durch d das gleiche Naturgesetz miteinander verbunden sind, schlagen sich die Leute mit der Hand an die Stirn und rufen reumüthig die Worte „che asino sono“ aus. –
Ich hoffe, daß Sie in einigen Jahren viele wissensdurstige Italiener in Jena sehen werden und spreche hierbei den Wunsch aus, daß die Anziehungskraft für das Studium der Phylogenie zu einer universellen Manie werde. – Für den Fall, daß ich diesen Winter in Frankfurt wäre, erlaube ich mir Ihnen den Vorschlag e zu machen, die in Jena abgehaltene öffentliche Vorlesung daselbst zur Wiederholung zu bringen. – Gleichzeitig lege ich einen Ausschnitt der Basler Nachrichten bei, worin ihr Name mit Recht oder Unrecht genannt ist. − Legen Sie ihm keine Wichtigkeitf bei, da dieses Blatt durchaus keine Bedeutung g und die Gewohnheit || hat sich mit fremden Federn zu schmücken und der Ironie des Socrates zu huldigen. Allen Collegen meine herzlichsten Grüße so wie an Ihre liebe Frau, deren gastliche Aufnahme mir stets in der Erinnerung verbleiben wird, ein liebevolles Dankeswort aus Ihrem Munde. – Mit herzlichen Grüßen verbleibe hochachtungsvoll und ergebenst Ihr
Paul Ritter
1 Beilage
a eingef.: jedoch; b eingef. mit Einfügungszeichen: Bitte um die gütige Zuschickung … dafür gesorgt. –./.; c gestr.: sich; eingef.: Wesen; d gestr.: in ein; e gestr.: zur Wiederholung der; f korr. aus: Bedeutung; g gestr.: hat; h Text weiter im Kopf von S. 4: hat sich … Paul Ritter